Sonnenkoenig
stammender
Schreibtisch dominierte den Raum, an der Wand dahinter prunkte ein mit
Glastüren verschlossener und mit herrlichen Intarsien verzierter Aktenschrank.
Sie setzte sich und schlug die
Mappe auf, die sich als einziger Gegenstand auf dem Schreibtisch befand. Vier
lose Blätter lagen darin. Rechnungen. In der ersten stellte die Agentur
Cos-Prom der First-Media-Agency die Sendezeit beim Privatsender Pro 9 für
einen Werbespot des Sportschuhherstellers Panther mit etwa 16.000 Euro in
Rechnung. Die First-Media-Agency war eine weltweit agierende Medienagentur,
deren Geschäft es war, Unternehmen zu beraten, wie diese am effizientesten
werben, wie sie ihren Etat am besten verteilten. Etwa, ob sie lieber im TV oder
in der Tageszeitung Werbung schalten und wie viel sie sich das kosten lassen
sollten. Für diese Beratungen erhielt die FMA von ihren Kunden satte Honorare.
Kordula nahm das Blatt und legte es zur Seite. Alleine in Deutschland werden
jährlich Werbespots im Gesamtwert von etwa 20 Milliarden Euro geschaltet, und
FMA gehört zu den führenden Unternehmen in der Branche.
Crown nahm die zweite Rechnung
zur Hand, besann sich anders, steckte die Papiere in die Mappe zurück und
verstaute sie anschließend in der mittleren Schublade. Sie verschloss den
Schreibtisch mit einem Schlüssel, der an einem schwarz-weiß gepunkteten
Fußball-Anhänger hing. Den Anhänger legte sie wie gewohnt unten im Flur in eine
Porzellanschale, die auf einer Kommode neben der Garderobe stand.
Ständig fragte sie sich, ob sie
überreagiert hatte. Als ihr bewusst geworden war, dass die Rechnungen, Schecks
und Barzahlungen, die über Camcos liefen, nichts anderes als reine Geldwäsche
aus Unterschlagungen war, hatte sie Skrupel bekommen.
Wie Schuppen war es ihr von den
Augen gefallen und sie hatte das gesamte Ausmaß ihrer Verstrickung erkannt,
nachdem sie mit Adrian darüber gesprochen hatte. Eiskalt und ohne mit der
Wimper zu zucken, hatte er ihr gedroht. »Du bist die Geschäftsführerin. Du
alleine bist verantwortlich, für alles, was über Camcos lief. Sei dir sicher,
keiner deiner Gesellschafter wird nur einen Finger rühren, geschweige denn ein
Wort sagen, um dich zu entlasten. Was glaubst du eigentlich, wofür du so fürstlich
entlohnt wirst? Für das bisschen Buchhaltung und Rechnungen schreiben für deine
diversen Kunden? Das hätte kaum genug eingebracht, um die Löhne deiner
Mitarbeiter zu bezahlen. Halte einfach die Klappe. Als Freund …«, dabei hatte
er dermaßen hässlich gegrinst, dass sie ihm am liebsten den teuren Rotwein ins
Gesicht geschüttet hätte, »… gebe ich dir den guten Rat, schweige wie ein Grab,
sonst liegst du selbst bald in einem solchen.«
Wie versteinert war sie
aufgestanden, hatte das Restaurant verlassen und war ziellos durch die
menschenleere Innenstadt gelaufen. Das war eine glasklare Todesdrohung gewesen.
Kordula konnte es wenden, wie sie wollte. Wenn sie an diesen Abend, diese Nacht
zurückdachte, begann sie zu zittern, Schweiß trat aus allen Poren und sie
verfluchte sich selbst. Wie naiv war sie eigentlich gewesen, nur eine Sekunde
lang zu glauben, Adrian würde ihr helfen. Jetzt war es zu spät.
Als sie letzte Nacht, nach kaum
einer halben Stunde Schlaf, schweißgebadet aufwachte, war ihr der Name Lena Rotmilch
eingefallen. Johannes hatte ihn kurz vor seinem Selbstmord genannt. Warum und
in welchem Zusammenhang, fiel ihr nicht ein, das alles musste mehr als zehn
Jahre zurückliegen. Sie wusste lediglich, wie sie über den Namen lachen musste.
Johannes hatte sie als eine engagierte und mutige Journalistin bezeichnet.
Außerdem war Kordula immer wieder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und
der Frankfurter Rundschau auf ihren Namen gestoßen. Ob es richtig war, sie
anzurufen? Wer konnte das wissen?
V. Du wirst sie sicher erkennen
»Sie trägt ein beiges
Kostüm, hat dunkelblondes, halblanges Haar und die rehbraunen Augen ihrer
Mutter. Sie ist um die eins siebzig groß und hat einen silberfarbenen
Hartschalenkoffer und einen kleinen roten fürs Handgepäck. Du wirst sie sicher
erkennen.« So hatte Bruno Burow seine Tochter beschrieben.
Ninus stand in einiger Entfernung
gegenüber den automatisch gesteuerten Schiebetüren des Ausgangs am Gate 4. Jung
und Alt drängelte sich vor dem roten Seil, das deutlich signalisierte: Lieber
Abholer, bis hierhin und keinen Schritt weiter. Surrend zogen sich die
Milchglasscheiben auseinander, wenn ein abgefertigter Ankömmling von
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