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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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Rosenbogen zu werfen, der sich über der Eingangstür
zum Wohngebäude wölbte, auf den sie ausgesprochen stolz war. Als sie das Haus
betrat, schüttelte sie ihre beigen Pumps von den Füßen, kickte sie quer durch
den Raum.
    Carla Cosian zog die
blutverschmierte Kostümjacke aus, knöpfte den Rock auf, ließ ihn zu Boden
sinken. Zerrte mit einem Ruck die weiße Bluse auf. Ein paar Knöpfe rissen ab,
kullerten über die Steinfliesen, einige unter Tisch und Stühle. Mehr hatte sie
nicht an. Obwohl es warm war, zitterte sie am ganzen Körper, der sich mit
Gänsehaut überzog. Sie ging zur schmalen Holztreppe, nahm mehrere Stufen
gleichzeitig, um direkt das großzügig gestaltete Badezimmer zu betreten. Sie
stellte den Einhandmischer auf 37 Grad. Plätschernd ergoss sich das Wasser in
die runde Badewanne. Sie schüttete eine große Portion Badesalz hinzu und ging
zunächst, während sich die Wanne langsam füllte, in die Duschkabine. Im Wechsel
ließ Carla heißes und kaltes Wasser über ihren Körper laufen. Sie hielt das
Gesicht dem Duschkopf entgegen, fuhr sich mit beiden Händen darüber. Dabei
schrie sie aus Leibeskräften, so laut sie vermochte, so lange, bis ihr der Atem
ausging.
    Sie stieg aus der Dusche, ließ
sich in die Wanne gleiten, in der sich ein Berg aus duftendem Schaum aufgebaut
hatte. So lag sie einige Minuten unbeweglich. Wie tot. Unter den geschlossenen
Lidern drückten sich Tränen hervor. Plötzlich riss sie die Augen auf, griff
nach der Wurzelbürste und begann, ihre Hände zu schrubben. Das Blut musste ab.
Wie rasend malträtierte sie die Hände. Abrupt hielt sie inne. Das Blut – Pauls
Blut!

     
    Am 2. November 1976
war der Winter hereingebrochen. Es hatte frühmorgens begonnen zu schneien und
schien nie wieder aufhören zu wollen. Die neunjährige Carla stand am Fenster
ihres Zimmers im dritten Stock der Diplomatenvilla. Sie drückte ihre Nase gegen
die Scheibe und sah fasziniert zu, wie die Dächer und Straßen des Viertels mit
weißem Zuckerguss überzogen wurden. Das sonst verdreckt und düster wirkende Bukarest
verwandelte sich zusehends in eine dieser leuchtenden Märchenstädte, wie sie in
ihren Büchern beschrieben wurden. Da es in diesem armen Land keine
Schneeräumfahrzeuge gab, blieben Busse, Taxis und Pkws einfach stehen und
warteten, bis Arbeitskolonnen mit Schippen und Schiebern die Wege frei
geschaufelt hatten. Es herrschte große Aufregung im Hause. Ihr Vater Bruno lief
seit einer Stunde fahrig die Stockwerke auf und ab, telefonierte
ununterbrochen, schrie herum und war ein einziges Nervenbündel. Es musste etwas
mit ihrem neuen Geschwisterchen zu tun haben, das in Mamas Bauch gewachsen war
und jetzt raus wollte. An die Geburt ihrer sechs Jahre jüngere Schwester Julia
hatte Carla keine Erinnerung. Sie wusste nur noch, wie das amerikanische
Kindermädchen sie mitten in der Nacht weckte und freudig ausrief: »Carla,
Darling! You’ve got a little sister!«
    Eine Woche später hatte ihr Vater
Mama und die kleine Julia vom Washingtoner Krankenhaus abgeholt und nach Hause
ins Botschaftsgebäude gebracht.
    Bei der Geburt ihres dritten
Kindes hatten die Wehen von Maria Burow früher als erwartet eingesetzt, jedoch
noch im normalen Bereich. Eigentlich sollte Maria in Deutschland entbinden, wie
bei Carla. Irgendwie wurden die Gespräche darüber und die notwendigen Planungen
immer wieder verschoben, bis es zu spät war, um die Hochschwangere noch der
Anstrengung eines Fluges auszusetzen. Schließlich gab es in Bukarest ein sehr
gutes Diplomatenkrankenhaus, das mit fähigen Ärzten ausgestattet war. Jetzt
waren sie eingeschneit, kein Krankenwagen, kein Arzt zu bekommen. Eine Fahrt
mit dem Pkw kam nicht infrage, es war zu gefährlich. Im Schlafzimmer stöhnte
Maria immer lauter, dann und wann schrie sie auf. Die beiden
Haushaltsgehilfinnen waren bei ihr, aber ob die auch in der Lage waren, ihr zu
helfen? Es klingelte. Bruno ging selbst, um zu öffnen. Vor der Tür standen zwei
Männer und eine junge Frau. Den Älteren und die Frau kannte Bruno. Es waren der
schwedische Botschafter und seine Tochter Agneta. Während Bruno sie hereinließ,
erzählte der Schwede, wie Brunos Küchenhilfe bei seiner Küchenhilfe, die
miteinander befreundet waren, angerufen habe und von der bevorstehenden Geburt
und den Problemen erzählt hätte. Daraufhin habe seine Küchenhilfe seine Frau
informiert und diese wiederum habe Herrn Malmquist, der zu Besuch im Hause des
Schweden sei, gefragt, ob er nicht helfen

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