Sonnenkoenig
weiß, ist die Dachwohnung zurzeit nicht bewohnt …«
»… soviel du weißt. So, so, du
Meisterdetektiv. Da bist du aber ganz schön falsch informiert. Genug des
Palavers. Ich bin müde, will in mein Bett und meine Ruhe. Übermorgen fliege ich
in die Staaten und da muss ich ausgeruht sein. Meinetwegen können die beiden
bei mir auf dem Gästebett übernachten. Morgen müssen sie die Flatter machen.
Alles hat seine Grenzen.«
Noch bevor Ninus etwas sagen
konnte, hatte Angelika sich umgedreht und auf den Weg zurück in ihre Wohnung
gemacht.
»Können wir nicht mit zu dir?«,
fragte Carla. Ihre Hand war jetzt verbunden, jedoch hatte sie noch starke
Schmerzen.
»Zu gefährlich. Nach dem Gespräch
mit einem gewissen Petrescu bin ich mir gar nicht mehr sicher, was deine
Freunde von mir wissen und was nicht. Ich hole euch morgen früh ab.« Ninus
widerstand dem Impuls, Carla an sich zu ziehen. Doch sein Zögern stellte sich
als falsch heraus. Carla kam auf ihn zu, legte ihre Arme um ihn und küsste ihn
auf die Wange. »Vielen Dank, mein Retter, auch im Namen Julias.« Selbst über
ihre Reaktion erschrocken, zog sich Carla schnell wieder zurück. Eine leichte
Röte hatte sich über ihr Gesicht gelegt.
»Nicht dafür, würde Beppo jetzt
sagen.«
4. Kapitel
I. Halte durch
Das Medimobil raste mit Blaulicht und Martinshorn
durch Hochheim in Richtung Unikliniken Frankfurt. Der Notarzt beugte sich über
seine Patientin, computergesteuerte Messgeräte lieferten ununterbrochen Daten,
die den Zustand der Verletzten signalisierten. Es war kritisch, sehr kritisch.
Der Helfer zog eine Spritze auf, während der Fahrer per Funk mit der Klinik in
Verbindung stand. Der Wagen schaukelte und neigte sich gefährlich zur Seite,
wenn er um eine Kurve fuhr. Alles Blut war aus Hagens Gesicht gewichen. Seine
Kleidung war mit Blut bespritzt, ebenso seine Hand, in der er die Lenas hielt.
Lena! Noch immer nicht war das Geschehen in sein Bewusstsein gedrungen, konnte
es noch nicht realisieren. Lena lag lebensgefährlich verletzt vor ihm und ihre
Chancen zu überleben waren sehr gering. Die Kugel war ihr in den Unterleib
gedrungen, sie hatte viel Blut verloren. Ninus schaute unentwegt zwischen den
Anzeigen der Instrumente und Lenas Gesicht hin und her. Dabei hatte der Tag
gut, ruhig und harmlos begonnen.
Wie verabredet holte
Ninus Carla um 10 Uhr bei Angelika ab. Die drei Frauen saßen am Frühstückstisch
und hatten sich anscheinend sehr intensiv unterhalten. Julia sah einigermaßen
wiederhergestellt aus, Carla hatte sich von Make-up, Lidschatten und
Wimpertusche befreit und wirkte, das registrierte Ninus sofort, ohne die
Kriegsbemalung noch verführerischer. Angelika thronte am Kopfende und sah
überhaupt nicht mehr wütend aus. Im Gegenteil. Mütterlich hatte sie die beiden
Frauen unter ihre Fittiche genommen und sie nicht nur körperlich, sondern auch
seelisch aufgerichtet. Das ist ihr Ding, dachte Ninus und nahm sich den
vierten, noch freien Stuhl.
»Julia wird gleich von Wolfgang
abgeholt. Sie fahren mit den Kindern direkt zu seinen Eltern in den Hunsrück.
Zum Glück sind es nur noch drei Tage, bis die Sommerferien beginnen. Mir wäre
es lieber, wenn wir da bereits weg wären«, sagte Carla zu Ninus. »Ich möchte
Wolfi jetzt nicht unbedingt begegnen. Er wird mir zu Recht den Kopf waschen
wollen, was ich heute wirklich nicht verkraften kann. Julia wird versuchen,
ihm, soweit sie kann, die Hintergründe ihres ungewollten Ausflugs zu erklären.«
Julia legte liebevoll ihre Hand
auf Carlas Oberschenkel. »Mach dir keine Vorwürfe. Es ist doch alles gut
gegangen. Endlich habe ich etwas erlebt, was ich noch meinen Enkelkindern
erzählen kann«, versuchte sie, Carlas Stimmung zu heben.
»Unsinn. Es ist unverzeihlich,
euch in meinen rachsüchtigen Privatkrieg hineingezogen zu haben. Wenn ich nicht
verflucht egoistisch und selbstherrlich wäre, hättest du heute Nacht friedlich
bei deinen Kindern geschlafen und …«, Carla unterdrückte ihre Tränen, »… und
Paul würde noch leben.«
Julia beugte sich zu Carla hin,
umarmte sie und beide hielten sich wie Ertrinkende aneinander fest.
»Jetzt ist es aber genug mit den
Bezichtigungen und den Selbstmitleidsbekundungen. Was war, ist nicht zu ändern.
Ihr müsst nach vorne schauen. Versuchen, weiteres Leid zu verhindern und zu
guter Letzt euren Frieden zu machen.« Angelikas Pragmatismus klang oftmals
hart, half jedoch, die Köpfe wieder klarzukriegen, dachte Ninus bewundernd.
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