Sonnenkoenig
Wie
recht sie hatte.
»Wenn die Damen sich genügend
ausgeheult haben, würde ich gerne los. Persönlichkeiten der Öffentlichkeit
erwarten uns und beide warten nicht gerne«, versuchte Hagen, Angelikas
vorgegebenen Weg fortzusetzen. Ganz in ihrem Sinne, wie sie ihm mit einem
kurzen Augenzwinkern bedeutete, um genau das Gegenteil zu sagen.
»Mein lieber Ninus. Ich verstehe
immer noch nicht, was hier alles gelaufen ist und wer wen und wie verletzt,
beleidigt, entführt, gerettet und in Gefahr gebracht hat und vor allem nicht,
warum. Klar ist nur, du hast dabei eine ganz, ganz schlechte Rolle erwischst.
Anstatt Profis an die Sache zu lassen, spielst du den Helden, vielleicht, um
eine gewisse Dame hier im Raum zu beeindrucken, und bringst euch alle in Lebensgefahr.
Wann wirst du endlich erwachsen? Habe ich das nicht gestern schon gefragt?
Wahrscheinlich wirst du das bis an dein Lebensende gefragt werden. Ninus,
Ninus!« So, die obligatorische Standpauke war damit erledigt.
»Komm, Carla. Lena und Beppo erwarten
uns in Hochheim. Um die Gemüter zu kühlen, in einem Eiscafé.« Als Ninus Carlas
erschrockenen Blick sah, fügte er noch hinzu: »Keine Angst. Ein inoffizielles
Treffen. Beppo ist mehr oder weniger als Privatmann unterwegs. Ein informelles
Zusammensein mit Freunden.«
»Warum gerade in Hochheim?«, fragte Julia, nachdem
Ninus den Wagen abgestellt hatte und sie nun zu Fuß auf dem Weg zum
verabredeten Treffpunkt waren. Am Ende der Straße waren schon die rot-weiß
gestreiften Markisen des Eiscafés zu sehen.
»Für jeden von uns ist die
Anfahrt nicht zu weit, Lena kommt aus Frankfurt und Beppo aus Niedernhausen.
Hinzu kommt, dass Beppo ja ein Wiesbadener Kripo-Beamter ist und Hochheim
gehört noch zum Aufgabengebiet der landeshauptstädtischen Staatsanwaltschaft.
Außerdem gibt es hier das beste Eis im ganzen Rhein-Main-Gebiet. Für den
Amarenabecher lasse ich jedes Wiener Schnitzel stehen.«
Jetzt hatten sie die Eisdiele
erreicht. Der blaue Himmel und die kräftig strahlende Sonne luden zum Sitzen im
Freien ein, doch für ein konspiratives Gespräch unter acht Augen war der
Innenraum geeigneter. Außer zwei italienisch aussehenden Männern, die jeweils
einen Espresso vor sich stehen hatten, befanden sich keine Gäste in dem lang
gezogenen Raum. Die beiden setzten sich ganz ans Ende, an einen rechteckigen
Tisch mit einer Bank und zwei Stühlen. Wohlgefällig registrierte Ninus, wie
Carla ohne zu zögern neben ihm auf der mit rotem Lederimitat bezogenen Bank
Platz nahm. Bei der jungen Italienerin, die noch ziemlich verschlafen wirkte
und kaum des Deutschen mächtig war, bestellte Carla einen doppelten Espresso
und Ninus natürlich einen Amarenabecher.
»Um diese Zeit kann ich noch kein
Eis essen«, unterbrach Carla die eingetretene Stille, nachdem sie das Bestellte
bekommen hatten.
»Ich dachte, wegen der …«, Ninus
brach ab. Man sollte nicht immer gleich herausposaunen, was einem durch den
Kopf ging.
Carla lächelte. »… wegen der
Kalorien, wolltest du wohl sagen.« Ninus verspürte aufsteigende Röte im
Gesicht. »Ist okay. Ich habe zwar jede Menge Probleme, aber mit meinem Gewicht
hatte ich noch nie zu kämpfen. Ich kann essen, so viel ich will und egal wie
fett, ich nehme nicht zu. Ist wohl genetisch bedingt. Wie mein Vater. Der hat
bis heute eine Figur wie ein junger Gott, obwohl er das Gegenteil eines
Kostverächters ist.«
Bei der Erwähnung ihres Vaters
meldete sich Hagens schlechtes Gewissen doppelt. Natürlich Bruno Burow
gegenüber, dessen Auftrag, seine Tochter zu beschützen, er ziemlich verhauen
und sich obendrein noch in sie verliebt hatte; und Carla gegenüber, die nichts
von seinem Auftrag wusste. Eine verzwickte Sache, wie alles andere, was immer
rätselhafter anstatt klarer wurde.
»Noch eine Frage, Carla. Wo ist
denn nun diese ominöse CD wirklich?«
»Hab ich dir doch gesagt. Julia
hat sie. Irgendwo gut versteckt. Zum Glück wussten das ihre Entführer nicht.
Kaum auszudenken, was die sonst mit ihr angestellt hätten.«
Ninus nickte zustimmend. Er
schaute zum Eingang. Dass Lena etwas später kommen wollte, wusste er. Aber wo
blieb nur Beppo?
Das Medimobil schoss
die lange Rampe zur Notaufnahme hoch. An der Glastür warteten ein Arzt und eine
Schwester. Der Wagen bremste, fast gleichzeitig gingen die hinteren Türen auf,
Lena wurde herausgefahren. Während es im Eilschritt durch neonbeleuchtete Flure
ging, riefen sich der Notarzt und der Klinikarzt irgendwelche
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