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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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Sternschnuppe im unendlichen Universum verpufft. Eine
traurige Gemeinde war zurückgeblieben und wieder in der Realität von
Arbeitslosigkeit, Hartz IV und sinkendem Einkommen aufgewacht. So
philosophisch, Herr Hagen, kommentierte Ninus seine Gedanken und war froh,
nichts mit der Ball kickenden Welt am Hut zu haben. Auf der A3 floss
glücklicherweise der Verkehr unterbrechungsfrei.
    Der Anruf des Schulfreundes
seines Vaters hatte ihn sehr überrascht. Viele Jahre hatte er nichts von ihm
und dessen Familie gehört, obwohl die Kinder, wenn er noch auf dem Laufenden
war, in oder um Wiesbaden herum wohnten. Ninus hatte ihn nur zwei Mal in seinem
Leben gesehen. Bei der ersten Begegnung, an die er sich nur schemenhaft
erinnerte, war er zehn Jahre alt gewesen.

     
    Es war Ende November 1967. Ninus saß mit zappelnden
Beinen am Küchentisch. Neben ihm mit verquollenen Augen seine weinende Mutter.
Ihnen gegenüber Vater Friedrich und Bruno Burow. Die Küche befand sich im
gerade fertiggestellten, selbst gebauten Einfamilienhaus. Das Haus stand im
Märchenland, einer sehr realen Siedlung zwischen den Vororten Schierstein und
Frauenstein. Hier hatten sich, ab Ende der 50er-Jahre, meist vertriebene
Deutsche aus Russland, dem Sudetenland, Schlesien und was es da sonst noch an
ehemaligen Ostgebieten gab, ihren Wunsch vom eigenen Häuschen mit Rosenbeet und
Gartenzwerg erfüllt.
    Hagens Eltern hatten sich diesen
Traum ebenfalls verwirklicht und das Geld dafür vom Munde abgespart. Mit Hilfe
günstiger Staats- und Landesdarlehen hatten sie in Eigenleistung ein schmuckes
Häuschen hochgezogen. Zwei Jahre später sollte es zwangsversteigert werden.
Hagens Vater war auf einen Betrüger hereingefallen, der ihn bis auf die
Unterhose ausgenommen hatte.
    Vor nicht einmal einer halben
Stunde hatte es geklingelt und Friedrichs ehemaliger Schüler Bruno stand samt
Familie vor der Tür. Friedrich Hagen war Lehrer für Geschichte und Sozialkunde,
wie es zu dieser Zeit noch hieß, am Gutenberggymnasium. Bruno war sein Schüler
gewesen und hatte bei ihm Abitur gemacht. Die beiden hatten sich danach
weiterhin regelmäßig bei dem einen oder anderen Bier zu geschichtspolitischen
Erörterungen getroffen und dabei angefreundet. Bruno hatte nach dem Abitur
sofort eine Stelle beim Auswärtigen Amt bekommen und verdiente sich seit März
letzten Jahres in der bundesrepublikanischen Botschaft in Peru seine ersten
Sporen als Diplomat.
    Auf einem Stuhl an der Wand saß
Brunos peruanische Frau und stillte die vor zwei Wochen geborene Tochter.
    »Ich wollte unbedingt, dass mein
erstes Kind in Deutschland zur Welt kommt«, sagte Bruno und schaute dabei
hinüber zu seiner Frau. »Deshalb bin ich hier und wollte es mir natürlich nicht
entgehen lassen, dir voller Stolz meine Tochter vorzustellen.« Wieder der Blick
hinüber. »Und natürlich meine Frau.«
    Friedrich nickte nur und traute
sich nicht, seinem ehemaligen Schüler in die Augen zu sehen.
    Bruno fuhr fort: »Wie es scheint,
bin ich nicht nur deswegen gerade rechtzeitig bei euch aufgetaucht. Mir sind
deine finanziellen Sorgen zu Ohren gekommen.« Burow richtete sich auf und legte
den Arm um Friedrich. »Ich werde dir das Geld leihen.«
    Ninus hörte auf mit den Beinen zu wackeln,
seine Mutter vergaß zu weinen und Friedrich hob zum ersten Mal den Kopf. »Das,
das ist sehr, wie soll ich sagen, sehr nett von dir. Das kann ich jedoch nicht
annehmen. Das geht nicht.«
    Seiner Frau begannen erneut Tränen
in die Augen zu schießen und das Baby, das fertig gestillt von der Mutter nun
aufrecht gehalten wurde und auf den Rücken geklopft bekam, stieß kräftig auf.
    »Was heißt hier, kann ich nicht.
Von Können ist keine Rede. Du musst. Oder willst du deinen Sohn in irgendeiner
Baracke aufwachsen lassen? Wie ich sehe, ist außerdem ein Geschwisterchen für
Ninus unterwegs.«
    Verschämt legte Anna Hagen ihre
beiden Arme auf den Bauch.
    So ging es eine Zeit lang hin und
her, bis Bruno schlicht und ergreifend ein Machtwort sprach. »Morgen überweise
ich das Geld. Du klärst das mit der Bank, und wenn du wieder auf die Beine
gekommen bist, zahlst du es mir in Raten zurück. Ich will nichts mehr hören.«
Mit dieser Ansage, die keinen Widerspruch zuließ, stand er auf, sammelte seine
Familie ein, verabschiedete sich förmlich, nicht ohne Ninus dabei am Ohr zu
zupfen, und entschwand.

     
    Das zweite Treffen
fand 1997 statt. Friedrich Hagen war nur zwei Jahre nach dem qualvollen Tod
seiner Frau gestorben und

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