Sonnenkoenig
Informationen vor. Sollte da etwas schief laufen, würde
Wanninger alle Zeit der Welt haben, sich seinem Kaffeehobby zu widmen. Ihm
blieb keine Wahl. »Na gut. Sie halten mich auf dem Laufenden. Sagen wir, bis 20
Uhr will ich etwas von Ihnen gehört haben. Sonst blase ich die Aktion ab.«
Ströcker stürmte davon.
IV. Allen Krimidrehbuchautoren dieser Welt
sei gedankt
Ninus Hagen
versuchte, aufzustehen. Gar nicht einfach mit auf dem Rücken gefesselten Händen.
Er setzte sich, zog die Beine an und drückte sich nach oben, strauchelte und
kippte zur Seite. Unsanft schlug er auf den Steinfußboden. Die Presslufthämmer
verstärkten ihr Getöse, sein Kopf schien zerplatzen zu wollen. Neuer Versuch.
Setzen, Beine anziehen, nach oben drücken, das Gleichgewicht halten. Wer sagte
es denn. Hagen war einigermaßen aufrecht, torkelte seitlich weg, stützte sich
mit einem Ausfallschritt und verharrte. Sein Atem ging röchelnd. Durch die
Wollmütze vor Mund und Nase bekam er nur schwer Luft. Jetzt stand er.
Vorsichtig hob er das eine Bein, streckte es aus, tastete ins dunkle Leere.
Nichts. Er machte einen Schritt nach vorne, tastete erneut, noch einen Schritt.
Trotz des Schwindelgefühls und der aufkommenden Übelkeit konzentrierte er sich
darauf, seine Vorwärtsbewegungen möglichst in eine Richtung zu lenken.
Irgendwann musste er an etwas anstoßen. Gedacht – geschehen. Auf dem Boden lag
etwas, Ninus trat darauf, verlor das Gleichgewicht und stürzte erneut. Dieses
Mal schlug sein Gesicht auf etwas Weiches. Gewölbt, aus Stoff. Er bewegte den
Kopf hin und her, um mit ihm zu ertasten, was das sei. Die plötzliche
Erkenntnis führte dazu, dass er die Übelkeit nicht mehr zurückhalten konnte und
sich in seine Maske hinein übergab. Schnell versuchte er, das Erbrochene mit
der Zunge vor seinem Mund wegzuschieben, nach unten hin, damit er wieder durch
den Stoff hindurch Luft bekam. Er war auf dem Brustkorb eines menschlichen
Körpers gelandet. Da Hagen keine Bewegung ausmachen konnte, handelte es sich
offenbar um einen toten Körper. Angewidert und völlig verwirrt rollte er zur
Seite weg. Neues Spiel: setzen, Beine anziehen, hochdrücken. Als er das
Gleichgewicht wiedergefunden hatte, streifte er mit einem Fuß am Körper
entlang. Wankend wagte Ninus einen großen Schritt und stieg über das Hindernis
hinweg. Arbeitete sich zentimeterweise weiter, bis sein Fuß erneut gegen etwas
stieß. Hart, dieses Mal. Er schob den Fuß leicht nach links, blieb hängen, ein
Gegenstand geriet in Bewegung, ein klirrendes Zerbersten folgte. Das war
eindeutig eine Flasche, registrierte Ninus. Er konkretisierte seine Erkenntnis,
als ihm ein eindeutiger Geruch in die Nase stieg: Wein! Ob Wein, Bier, Schnaps
oder Wasser, war ihm in diesem Moment allerdings völlig egal. Eine zerbrochene
Flasche bedeutete Scherben. Erneut musste sein Fuß als Fühler herhalten, um nun
den Boden zu erkunden. Wo lagen die Scherben und wo konnte er sich gefahrlos
hinsetzen? Nach scheinbar endlosen Minuten hatte er schließlich die geeignete
Stelle geortet, ging langsam in die Beuge und ließ sich auf den Hintern
plumpsen. Der erwartete Stich blieb aus. Mit den fast völlig tauben Fingern
strich er am Boden entlang, bewegte den Oberkörper nach links, nach rechts,
nach hinten. Endlich fand er eine Scherbe und bekam sie mit den Fingern beider
Hände zu fassen. Er drehte die Gelenke nach innen und nach oben, bis er das
Kunststoffband spürte. Vorsichtig begann er, hin und her zu reiben. Nur nicht
die Scherbe verlieren! Immer wieder rutschte er ab, schnitt sich in einen
Finger und begann von Neuem. Unter der Maske bildeten sich Schweißperlen, die
von der Wolle aufgesogen wurden. Er stöhnte vor Anstrengung, Schmerz und Wut.
Wut darüber, es nicht hinzubekommen, dass ihn langsam die Kräfte verließen und
er kurz davor war, erneut die Besinnung zu verlieren. Irgendwann kam der
Moment, wo es ihm plötzlich gleichgültig wurde. Er dämmerte weg. Das Bedürfnis,
zu schlafen und Ruhe haben zu müssen wurde übermächtig. Einfach nur die Augen
schließen und sich dem süßen Reich des Unbewussten überlassen. Hinaufzuschweben
und fortzufliegen. Leicht wie eine Feder, friedlich und zufrieden. Wie oft
hatte er als Kind dieses Gefühl verspürt, wenn er alleine in seinem Bett
gelegen und sich im Stadium zwischen schlafen und wachen in die Lüfte erhoben
hatte und fortschwebte. Fort aus dem Bett, raus aus dem Zimmer, durch Wände
hindurch ins Freie. Unter sich hatte er
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