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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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Straßen und Häuser, Felder und Wälder
und das aufgeregte Treiben der Menschen gesehen und hatte sich schwerelos
gefühlt. Danach war er friedlich eingeschlafen, um kurz darauf im Traume vor
einer tiefen Grube zu stehen, in der eine Dornenhecke lichterloh brannte. Er
hatte den sehnlichen Wunsch verspürt, dort hineinzuspringen. Er hatte Anlauf
genommen, den Rand erreicht, war abgesprungen – und mit klopfendem Herzen
erwacht. Plötzlich riss das Band, Ninus schlug in der Gegenwart auf. Seine
Hände waren frei. Das Herz raste, in den Schläfen pochte der Puls. Er hechelte
wie eine Schwangere kurz vor der Entbindung. Die Fesseln hatten ihm das Blut
abgestellt, die Arme waren steif. Nur ganz langsam gelang es ihm, sie nach
vorne zu biegen. Er massierte sie, brachte durch druckvolles Reiben den
Blutkreislauf in Schwung. Es war so weit. Er riss sich die Maske vom Kopf – und
sah nichts. Völlige Dunkelheit umgab ihn. Er verharrte gebannt, wollte warten,
bis die Augen sich umgewöhnten. Erst jetzt fiel ihm die völlige Stille auf.
Keine Geräusche, außer einem gedämpften Blubbern in ungleichen Abständen, fast
wie ein Schmatzen. Panik ergriff ihn. Diese Geräusche kamen aus den Fässern, in
denen Wein gärte. Bei diesem Prozess entstand Kohlendioxid, daran erinnerte
sich Ninus sehr gut. Er hatte in den Schulferien oft bei einem Winzer
gearbeitet. Dieses Gas war hinterhältig, weil geruchlos. Immer mit einer Kerze
in den Weinkeller gehen, hatte der Winzer ihm eingebläut, solange die Flamme
brannte, war alles in Ordnung. Wenn sie ausging, dann …
    Ninus richtete sich auf, so
schnell es eben ging. Mittlerweile hoben sich Gegenstände im Raum schemenhaft
voneinander ab. Es gab helleres und dunkleres Grau. Wenn ihn nicht alles
täuschte, mussten rechts von ihm Weinfässer liegen. Mit ausgestreckten Armen
und jeden Schritt vorsichtig setzend, steuerte er dorthin. Dabei fasste er rein
mechanisch in seine Jackentasche und blieb abrupt stehen. Ninus Hagen, du
verblödest immer mehr, beschimpfte er sich selbst und zog Tabakpäckchen,
Zigarettenpapier und ein Feuerzeug hervor. Das hatten seine Häscher ihm
gelassen, warum auch immer. Schnell zündete er das Feuerzeug an, die Flamme brannte
stetig. Kein Kohlendioxid! Er schaute sich um, suchte den Weg zur Treppe. Dort!
Ninus ließ die Flamme erlöschen, um Gas zu sparen. Er ging in Richtung Treppe,
überlegte kurz, ob er nach dem toten Körper schauen sollte, entschied sich
allerdings dafür, zunächst raus ins Freie zu gelangen. Immer wieder knipste er
kurz das Feuerzeug an, bis er die Stufen erreichte. Er stieg sie ächzend und
stöhnend hinauf. Jeder einzelne Knochen tat ihm weh. An der schweren Holztür
angelangt, verharrte er eine Weile, schnaufte durch und sammelte seine
Gedanken. Jetzt nur nichts überstürzen. Vorsichtig drückte er gegen die Tür.
Sie ließ sich nicht bewegen. Im Schein der kleinen Flamme inspizierte er das
Schloss. Es war ein altes Eisenschloss, lediglich mit einem Haltegriff darüber,
keine Klinke. Er schaute durch das Schlüsselloch, leuchtete hinein. Der
Schlüssel steckte von außen. Hagen ließ sich mit dem Rücken an die Tür gelehnt
sinken. Jetzt war es Zeit für eine Zigarette. Während er den Tabak auf das
Papier legte, es zusammenrollte und die gummierte Seite mit der Zunge
befeuchtete, dachte er nach. Der erste Zug. Er inhalierte tief, hielt die Luft
an und ließ den Rauch langsam herausströmen. Die Tür reichte nicht bis zum
Boden. Es gab einen ziemlich großen Schlitz. Sollte das funktionieren, was er
in vielen Filmen gesehen und immer als lächerlich empfunden hatte? Ein Versuch
war es jedenfalls wert. Es sah ihn keiner, und wenn es klappen sollte, war ihm
geholfen. Was er brauchte, war ein Draht oder ein Nagel. Außerdem ein ziemlich
großes Stück Papier. Wieder flammte das Feuerzeug auf. Er blickte in den
Gewölbekeller hinein. Links standen Weinfässer und rechts Regale mit Flaschen.
Vor den Regalen Pappkartons. Ninus ging im Dunkeln dorthin und entfachte das
Licht erst wieder, als er sicher war, vor einem dieser Kartons zu stehen. Als
es wieder hell war, las er: Winzersekt. Das genügte. Vorsichtig drehte er den
Draht von fünf Sektverschlüssen ab. Bog sie gerade, um sie zu einem dickeren
Stück zusammenzuzwirbeln. Das müsste gehen, überlegte er und befühlte dabei den
Pappkarton. Vielleicht. Er klappte einen geleerten Karton auseinander und riss
ein genügend großes Stück ab. Wieder an der Tür angelangt, schob er den

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