Sonnenlaeufer
Lichtläuferin zu ehelichen, eine Faradhi , die das Mondlicht reitet?«, rief sie aus, und Ostvel schritt, mit Urival als Sponsor, über den Blumenteppich.
»Ich, Herrin«, erklärte der junge Mann stolz. »Ich bin ihr Erwählter, und sie ist die meine.«
»Dann lass sie neben dich treten«, erwiderte Andrade lächelnd.
Scheu, dunkel und exotisch sah Camigwen aus, als sie vortrat. Aber das Gewand, das sie trug, war ganz anders als ihre Alltagskleidung; dafür hatte Tobin gesorgt. Ihr Kleid war von der Farbe sehr alter Bronze und an den Stoffbahnen entlang mit goldenen Blüten bestickt. Die kleine Tasche an ihrer Taille war prall von Ostvels Hochzeitsschmuck. Sioned ging neben ihr. Sie trug ein schlichtes, rostrotes Kleid, und ihr Smaragdring blitzte, wo sich ihre Finger mit denen der Freundin verschränkten. Tobin wusste, dass die Menge nicht nur murmelte, weil eine Faradhi nur selten in der Öffentlichkeit heiratete, sondern auch wegen des inzwischen allgemein bekannten Gerüchts, dass Sioned Rohans Auserwählte sei. Tobin warf einen verstohlenen Blick auf ihren Bruder. Er stand bei Eltanin und Antalya, und sie bemerkte überrascht eine feine, besorgte Falte auf seiner Stirn. Als sie zu Sioned hinüberschaute, begriff sie, warum. Während Camigwen strahlte, wirkte Sioned fast zerbrechlich. Ihr flammendes Haar schien alle Farbe aus ihren Wangen und Lippen gezogen zu haben. Urival hatte nicht viel gesagt, aber er hatte drogenversetzten Wein erwähnt. Tobin verfluchte den abwesenden Hoheprinzen.
Andrade legte die Hände der beiden jungen Leute ineinander, und Sioned und Urival traten zurück. Die Worte, die eine Lichtläuferin und ihren Erwählten miteinander verbanden, waren kunstvoller als die für irgendjemanden sonst, außer für den König, denn es gab Schwüre zu bedenken, die nichts mit der Ehe zu tun hatten. Tobin hörte das Echo der Worte, die Andrade schon bald zu Rohan und Sioned sagen würde, und sie sah, wie die grünen Augen des Mädchens lebendig wurden, auch wenn der Rest ihres Körpers erstarrt schien.
Ostvel zog das Karneol-Halsband aus einer Tasche seiner Tunika, und als er ungeschickt versuchte, es um Camis schlanken Hals zu legen, strahlten die Steine in einem dumpfen, dunklen Rot. Nicht einmal Eltanins Saphire, deren Anblick Antalya den Atem geraubt hatte, waren so prächtig wie diese Steine. Dann erhob sich Cami auf die Zehenspitzen und legte eine dünne Goldkette um Ostvels Hals. Ein einzelnes großes Stück schwarze Koralle, geschnitzt wie eine explodierende Sonne, zierte sie – der Stein Gilads, Ostvels Heimat, und das Symbol der Sonne, das ihren Status als Faradhi repräsentierte.
»So wie die Sonne und die Monde die Welt der Wasser umkreisen«, sang Andrade, »wie die Wasser die Lande umkreisen; wie die Lande den Körper der Welt umkreisen, so sollt auch Ihr einander umkreisen und stützen. Seid das Licht für die Augen des anderen und das lebensspendende Wasser für seine Seele. Schenkt einander die Reichtümer der Erde. Fangt den Wind ein, auf dass er allen Zweifel, allen Schmerz, alle Furcht beiseitefegt. Seid einander alles in Eurer Liebe.«
Sie wandte sich an Ostvel und hielt die linke Hand empor, die Handfläche auswärts gekehrt, und ihre Ringe funkelten in der Morgensonne. »In deiner Obhut befindet sich eine Lichtläuferin, eine, die das FEUER ruft und das Licht verwebt. Hilf ihr, die wahren Pfade zu wandeln, ohne Schatten, frei von allen schmerzlichen Dingen. Du wirst der Ahnherr von Faradhi’im werden. Ich halte dich dessen für wert, Ostvel aus Gilad.«
Er neigte den Kopf und antwortete: »Euer Vertrauen ehrt mich, Herrin, wie die Liebe der Faradhi .«
Andrade lächelte leicht. Zu Camigwen sagte sie: »Du bist eine Lichtläuferin und kennst deine Arbeit und deine Eide: zu dienen, die Wahrheit zu sprechen, das Licht über die Welt zu weben, zusammen mit deinen Brüdern und Schwestern. Dein Wissen richtig einzusetzen und niemals zu töten. All diese Dinge sind in dein Herz gebrannt. Dir übergebe ich nun diesen Mann, auf dass du ihn wärmst mit der Flamme deines Rufens und bewachst mit der Kraft, die nur wir kennen. Ruhe in seinem Herzen und lausche seiner Seele.« Sie nahm die verschränkten Hände der beiden in ihre. »Möge der Segen der Göttin ein Leben lang mit euch sein.«
Sie schauten sich an und lächelten, als sich erst Blicke, dann Lippen trafen. Tobin seufzte und schnüffelte ein wenig und fühlte, wie Chay an ihrer Seite von unterdrücktem Gelächter
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