Sonnenlaeufer
gewährte ihm eine ironische kleine Verbeugung und verschwand.
Roelstra verschränkte die Arme und lehnte sich zurück, um zu warten. Nach einer Weile hörte er weitere Schritte, die die Ankunft jenes Gastes ankündigten, den er ursprünglich erwartet hatte. Er rief den Wachtposten, der eintrat und Haltung annahm.
»Bringt meine Tochter Ianthe hierher, augenblicklich.«
»Sehr wohl, Hoheit.«
Der Mann neben dem Eingang war dünn und angespannt und hatte die rituelle Narbe am Kinn, die alle seine edlen Verwandten der Merida aufwiesen. Er sah Roelstra mit gerunzelter Stirn an. »Eine Frau? Hier? Wie könnte sie uns helfen?«
Der Hoheprinz lächelte. »Beliaev, mein lieber Nachkomme einer toten Dynastie – Ihr habt meine Tochter noch nicht kennengelernt.«
Zwischenspiel
Die Reise zurück zur Felsenburg war so lang und beschwerlich, wie es seine Feinde dem Hoheprinzen Roelstra nur wünschen konnten. Da ihm die kräftigen, schnellen Pferde von Radzyn versagt blieben, musste er sich mit weniger guten Tieren zufrieden geben. Ohne eigene Gepäckwagen musste er warten, bis Prinz Clutha Karren auftrieb, die robust genug waren, um die rauen Wege durch die Berge zu bewältigen. Die Verzögerung bedeutete, dass Roelstra in die ersten Herbststürme geriet, als er einen Pass überqueren musste, der selbst im Sommer gefährlich genug war. Regen ließ Schlamm und Felsbrocken von den Klippen rieseln, bis der Weg versperrt war. Alle waren ständig durchnässt, und aus einer Reise von zwölf Tagen bei gutem Wetter wurde jetzt eine, die mehr als dreißig Tage dauerte. Als die erschöpfte Reisegesellschaft schließlich die Felsenburg erreichte, schloss sich Roelstra mit Beliaev und Prinzessin Ianthe in seinen Gemächern ein, und als sie einige Tage später wieder herauskamen, war seine Laune kaum besser als die, die er mit hineingenommen hatte.
Die Reise zurück nach Stronghold verlief gänzlich anders. Lady Andrade begleitete Rohan bis zu einem Hügel gleich hinter der Grenze zur Wüste. Auf seiner Kuppe vollzog die Herrin der Schule der Göttin die Ehe ihres Neffen mit seiner rothaarigen Lichtläufer-Hexe. Familie und Freunde umgaben sie dabei, und unter ihnen rauschte der Faolain in der Sonne. Anschließend kehrte Andrade mit ihren Faradhi’im in das große Schloss am Westrand von Ossetia zurück, während der Prinz und die neue Prinzessin gemächlich die Rückreise zur Burg fortsetzten. Dort schloss sich Rohan mit Sioned in seinen Gemächern ein, und als er mehrere Tage später herauskam, wirkte er glücklich und zufrieden mit sich und der Welt.
Im folgenden Frühjahr wurde Ianthe in Schloss Feruche eingesetzt. Es gab keinen Beweis – nicht, dass irgendjemand erwartet hätte, einen solchen zu finden –, dass sie hinter dem Angriff der Merida auf Tiglath im selben Jahr steckte. Der junge Lord Eltanin, voll Stolz auf seine schöne Gemahlin und den erwarteten Erben, schlug die Merida mit der Unterstützung von Rohans Armeen und dem Geld seines Schwiegervaters zurück. Angesichts von dreihundert Trupps und dem Wissen, dass Jervis aus Waes endlose Mittel bereitstellen würde, um das neue Heim seiner Tochter zu sichern, zogen sich die Merida zurück. Sie marschierten zurück in ihre nördlichen Gebiete und blieben unruhig, wagten gelegentliche Vorstöße in Rohans Territorium und vertrauten darauf, dass diesmal Roelstra und Ianthe zu ihren Gunsten eingreifen würden.
Rohan und Sioned freuten sich sehr, als Eltanins sanfte Antalya einen gesunden und kräftigen Sohn zur Welt brachte. Es war das Jahr der Geburten, so schien es; nur wenige Tage nachdem sie die Nachricht aus Tiglath erhalten hatten, schenkte Tobin Zwillingssöhnen das Leben, und zu Beginn des Sommers überraschte auch Camigwen Ostvel mit einem Sohn. Aber für den Prinzen und die Prinzessin gab es kein derartiges glückliches Ereignis.
Im folgenden Jahr erreichten sie Gerüchte, dass Ianthe einen Sohn geboren habe und mit einem weiteren schwanger sei. Aus der Garnison am Fuße von Feruche wurden diese Gerüchte bestätigt, und die Prozession hübscher, junger Edler, die durch Ianthes Bett zogen, machte es für jedermann unmöglich, zu sagen, wer der Vater ihrer Kinder war. Rohan stellte dazu fest, dass von Roelstras Lieblingstochter kaum etwas anderes zu erwarten gewesen sei. Jeder fragte sich, ob der Hoheprinz einen ihrer Söhne zu seinem Erben ernennen würde. Weder hatte eine der anderen Töchter bisher geheiratet, noch war es wahrscheinlich, dass sie es je
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