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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Sohn.« Das Gesicht der Frau fiel plötzlich zusammen. »Und jetzt ist sie tot und das Baby und die drei anderen Knaben mit ihr …«
    Ein Mann, der neben ihr ging, sagte: »Wenn der Hoheprinz das hört, gebe ich nichts mehr für das Leben irgendeines Menschen, der dort gewesen ist. Ich kenne Euch nicht, also müsst Ihr zu dem Lord aus Cunaxa gehören, der vor wenigen Tagen gekommen ist. Gebt Eurem Herrn meinen Rat – verschwindet. Das ist genau das, was ich tun werde.«
    Sioned, die sich ein wenig im Hintergrund gehalten und zugehört hatte, streckte die Hand nach Ostvels Arm aus. »Lass es gut sein«, flüsterte sie. »Ich werde es niemals mit Sicherheit wissen.« Sie trottete einen Moment stumm weiter. Dann fügte sie bitter hinzu: »Bei Ianthe hätte ich wenigstens gewusst, dass ich sie absichtlich getötet habe, und ich hätte gern die Konsequenzen getragen.« Sie drückte das Kind fester an sich. »Ich hätte nicht so tun können, als wäre es ein Unfall gewesen.«
    Kurz danach trennten sie sich von der Menge und zogen sich in die Schatten der Felsen neben der Straße zurück. Als die letzten Nachzügler vorüber waren, kamen sie wieder heraus und hielten auf die Garnison zu. Es war fast Tag, als sie sie endlich erreichten. Sie standen an den leeren Fenstern und beobachteten, wie Feruche hoch droben auf den Klippen brannte. Sioned wiegte das erschreckte Baby und wollte es weder Tobin noch Ostvel geben, nicht einmal, als die Prinzessin die Wunden an ihrer Schulter und Wange versorgen wollte.
    »Nein. Es tut nicht weh. Lass mich in Ruhe.«
    Tobin war klug genug, sie nicht zu bedrängen. Sioned saß mit gekreuzten Beinen am Boden, hielt ihren Sohn in den Armen, als er endlich schlief, und sah zu, wie das Schloss niederbrannte. Sie konnte an nichts anderes denken, nur daran, ihr Kind zu halten. Sollten sich doch Tobin und Ostvel Gedanken machen, wie sie nach Stronghold zurückkehren konnten. Sie konnte es nicht.
    Sie warf einen Blick auf den Smaragd, der wieder da war, wo er hingehörte, an ihrer Hand. Die Flammen auf den Felsen tauchten ein in seine Tiefen, verliehen ihm ein ganz eigenes Feuer, ein ganz eigenes Leben. Andrade hatte ihr vor langer Zeit erzählt, dass sie eine Vision Wirklichkeit werden lassen konnte, wenn sie es nur stark genug wollte. Nun, sie hatte es gewollt, und es hatte funktioniert, und nun lag das Kind hier in ihren Armen, und über ihre Schulter zog sich eine Brandverletzung, die eine tiefe, breite Narbe hinterlassen würde.
    Aber auf ihrer Wange befand sich noch eine, die nicht hätte dort sein sollen, und ihr Pochen und Brennen erinnerte sie daran, dass die Macht, eine Vision wirklich werden zu lassen, nicht unbedingt auch die Weisheit verlieh, dies auch richtig zu machen.
    Der Morgen dämmerte sanft wie der Frühling über River Run herauf. Als Urival die Lichtstränge verwob, machte er eine Pause, um sich von ihrer Sanftheit liebkosen zu lassen. Zarte Farben gehörten diesem Morgen, ein rosiges Grau und ein gedämpftes Grün-Gold, das Blau eines Himmels, so zerbrechlich wie Fironeser Kristall. Er reiste durch Syr und Meadowlord und über die Vere-Hügel. Das Licht des Tages wurde immer stärker und die Farben damit immer intensiver. Und doch ging immer noch etwas Verhangenes, Geheimnisvolles, ja fast Quälendes davon aus, schön und zurückhaltend.
    Die Farben jedoch, die sich von einem Hügel in der Wüste erhoben, waren an diesem Morgen grob: Kräftige Spiralen aus grauschwarzem Rauch befleckten den Himmel. Er sah die qualmende Ruine, die einst ein Schloss gewesen war, und sein zartes Gewebe einer Winterdämmerung wäre unter der Heftigkeit des Schocks fast gerissen. Er suchte nach Spuren von Leben, fand aber nichts. Hier und dort züngelten kleine Flammen aus der noch verbliebenen Asche, ansonsten war alles tot und verkohlt. Außerhalb der Burg entdeckte er Gruppen von hohläugigen Menschen, die sich auf die Berge im Westen zuschleppten. Einige Längen vor ihnen ritten andere zu Pferde. Drei dieser Pferde zogen seinen Blick an, denn es gab keinen Zweifel, dass sie aus Lord Chaynals Zucht stammten. Woher hatte Ianthe diese Pferde?, fragte er sich – und sah dann die unverkennbaren blauen Satteldecken der Wüste. Wieder drohte der Schock seine Ruhe zu gefährden, und er beherrschte sich mühsam. Und dann stieß er einen stummen Schrei aus, als er die Reiter genauer betrachtete und feststellte, dass auf den drei Pferden große, muskulöse Wachen saßen und jeder der Männer ein

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