Sonnenlaeufer
seine Richtung. »Da, siehst du? Sie will zum Veresch. Kommt, reiten wir weiter. Ich will bis Mittag in Rivenrock sein.«
Aber was er dort tun würde, wusste er immer noch nicht. Er wusste nur, dass er nicht noch einen Drachen töten wollte. Diese Ermordung von Jungtieren, wenn sie zum ersten Mal das Licht der Sonne erblickten, war widerlich. Ihre Flügel waren noch nicht ganz trocken, und sie stolperten auf unsicheren Beinen umher. Über den Kopf der Knaben hinweg sah er Chay an. Auch seinem Schwager gefiel so ein ungleicher Kampf nicht. Aber Chay zweifelte nicht an der Notwendigkeit, die Drachen auszurotten. Wieder einmal fragte sich Rohan, warum er so sehnlich wünschte, diese Geschöpfe zu beschützen, die Land und Herden verwüsteten. Nie fiel ihm eine bessere Antwort ein, als dass sie schön und frei seien und Teil der Wüste. Aber gab es überhaupt eine bessere Antwort?, überlegte er. Irgendetwas in seinem Innern schrie angesichts ihrer Vernichtung auf. Die Vasallen würden heute ihren Spaß haben und in den nächsten drei Jahren mit dieser Jagd prahlen. Rohan konnte nichts anderes tun, als in stummer Verbitterung zuzusehen und sich zu weigern, daran teilzunehmen.
Am Zugang zur Schlucht, unterhalb der Felsentürme, hielt die Gesellschaft an. Wasser- und Weinschläuche und Essen wurden herumgereicht. Rohan aß nichts. Die Feiertagsstimmung um ihn her verursachte ihm Übelkeit. Während sich die Gruppe erfrischte, drangen Maeta und zwei weitere Reiter in den Canyon ein und kehrten dann zurück, um Rohan Bericht zu erstatten.
»Die Drachenweibchen sind tatsächlich fort, Herr«, erklärte Maeta. »Die Mauern vor drei Höhlen sind niedergetrampelt, und die Jungtiere sind geflohen, aber nach meiner Rechnung sind noch zwölf übrig, die sich in unterschiedlichen Stadien der Zerstörung befinden.« Sie warf einen Blick auf die Vasallen, die sich dicht um sie drängten, um die Nachricht zu vernehmen. »Ich wünsche Euch viel Vergnügen, meine Herren.«
Rohans Gesicht versteinerte, und er bedeutete Maeta wortlos, Chay bei der Organisation der Jagd zu helfen. Er würde zusehen, wenn es sein musste, aber er wollte verdammt sein, wenn er daran teilnehmen würde.
Lachend und sich gegenseitig anstachelnd ritten die Jäger in die Schlucht. Schon bald stiegen sie von ihren Pferden und kletterten die schmalen, schlüpfrigen Pfade zu Fuß empor. Maeta wartete mit ihrem Trupp Soldaten in der strahlenden Sonne und hielt die Pferde fest. Keiner der Jäger war so dumm, die Überreste einer Mauer vor irgendeiner der Höhlen abzubrechen, denn dahinter befand sich eine unbekannte Zahl schlüpfender Drachen. Wenn sie auch noch klein und unsicher auf den Füßen standen, so konnten sie trotzdem schon sengendes Feuer speien. Die Flammen trockneten und härteten ihre Schwingen – und konnten die Haut eines Menschen durch Lederkleidung hindurch verbrennen. Der Trick bestand darin, zu warten, bis die Drachen selbst den größten Teil der Mauer eingerissen hatten und sie erst dann zu töten, wenn sie ins blendende Licht hinausstolperten.
Rohan schloss die Augen. Göttin, was lasse ich hier geschehen? Sie greifen unsere Herden an, also töten wir sie. Aber was ist mit den Wölfen, den Raubvögeln, den Meeresungeheuern? Sind nicht auch die Drachen ein Teil unserer Welt? Wie kann ich das Treiben hier rechtfertigen? Wie kann ich es aufhalten?
»Es scheint, als wären wir allein, Mylord«, erklang eine sanfte Stimme neben ihm.
Er zuckte zusammen. Sein Hengst reagierte auf die Bewegung und tänzelte über den steinigen Boden. Er zügelte ihn und klopfte dem Tier beruhigend auf den Hals.
»Rohan, was ist denn los?«, fragte Sioned direkt.
»Ich hasse das hier«, flüsterte er und starrte auf die Wände der Schlucht, um nicht in Versuchung zu geraten, sie anzusehen. »Ich habe es immer gehasst. Aber ich kann es nicht verhindern.«
»Wenn du ein anderer Mann wärest, würde ich sagen, du als ihr Prinz kannst ihnen doch befehlen, zu tun, was du willst.«
»Aber ich bin ein zu großer Feigling, meine Macht einzusetzen, ja?«
»Nein, das wollte ich nicht sagen, und das weißt du auch, Rohan. Sieh mich an, bitte.«
Er tat es, weil er nicht anders konnte. In ihren Augen stand nichts als zärtliche Sorge. Sie liebte ihn; er spürte, wie sich ihr Gefühl ihm entgegenstreckte, ihn umhüllte wie die Weberei eines Lichtläufers, wie ein Gespinst aus Kraft und Licht.
»Was ist denn nicht in Ordnung?«, wisperte sie.
»Dieser Tag.« Er hieb
Weitere Kostenlose Bücher