Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute
schaute zum Eingang, von wo die Stimme gekommen war. Hoffentlich war es jemand Erträgliches.
»Bender!«, rief ich erleichtert. »Komm her und setz dich!«
Bender war in Ordnung. Jedenfalls war er es noch, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er hatte im Jahr zuvor sein Abitur gemacht und war seitdem von der Bildfläche verschwunden. Die besten Freunde waren wir nie gewesen, aber in der Schule hatten wir immer sehr viel Spaß miteinander. Etwas verändert sah er schon aus mit seinem braunen Sakko und der Krawatte und den italienischen Schuhen. Früher lief er nur in zerrissenen Jeans und Docs herum, so wie ich. Er fiel überhaupt nicht auf unter all den Schnöseln. Etwas Schreckliches musste ihm zugestoßen sein.
»Hey, Sunshine«, sagte er. »Lang nicht gesehen. Wie geht’s dir?«
»Beschissen, wie immer. Und selbst? Wer hat dir das angetan?«
»Was meinst du? Mir geht’s blendend.«
»Heute schon in den Spiegel geguckt?«
»Ach so, die Klamotten. Ich hab mich schon so dran gewöhnt. Ich mach ’ne Banklehre. Hast du das nicht mitgekriegt?«
»Du arbeitest in einer Bank? Um Gottes willen, was hast du verbrochen?«
»So schlimm ist es nicht. Es macht mir sogar Spaß.«
»Spaß? Vor einem Jahr hat es dir noch Spaß gemacht, ›Anarchie‹ an die Schule zu sprühen und auf Amsels Auto zu scheißen. Was ist passiert? Säufst du wenigstens noch? Sag mir nicht, du hast aufgehört zu trinken. Du warst einer der Besten. Weißt du noch, wie du zwei Flaschen Äppler pur geext hast, ohne auch nur einmal zu rülpsen? Kein anderer hat das geschafft. Kannst du das immer noch?«
»Die Zeiten sind vorbei. Ab und zu am Wochenende trink ich noch einen. Kann’s mir nicht mehr erlauben. Die schmeißen mich raus, wenn ich morgens mit ’ner Fahne antanze.«
»Hört sich verdammt danach an, als ob du erwachsen wirst, Bender.«
»Ja, nicht? Wer hätte das gedacht? Und ich wehre mich nicht mal dagegen. Irgendwann muss wohl jeder mal erwachsen werden. Dich erwischt’s auch noch, wart’s nur ab.«
»Blödsinn! Mich nicht! Mich kriegen sie nie. Keine Chance. Ich bin stärker als alle verfluchten Piraten dieser beschissenen Welt. Ich flieg ihnen einfach davon und scheiß ihnen auf den Kopf. Wirst dich noch wundern. Guck mal ab und zu nach oben, sonst erwisch ich dich irgendwann. Wirst schon sehen.«
»Mensch, Sunshine, du hast ganz schön einen getankt, oder?«
»Es geht so. Merkt man das? Ich lalle doch gar nicht. Hab ich eine schlimme Fahne?«
Ich hielt mir die Hand vor den Mund und hauchte hinein, konnte aber nichts Übelriechendes feststellen.
»Ist doch gar nichts«, sagte ich. »Wie kommst du darauf, dass ich voll bin?«
»Du redest ziemlich viel, Sunshine.«
»Na und, ist das schlimm? Wenn es dich stört, höre ich auf. Sag’s nur, wenn es dich nervt.«
»Nein, is’ schon okay. Ich freue mich echt, dich zu sehen. Deine Spinnereien haben mir gefehlt.«
»Ich freue mich auch dich zu sehen, ehrlich. Obwohl du erwachsen wirst. Sag mal, hast du nicht Lust, nachher mit auf die Abiparty zu kommen?«
»Abiparty? Wo denn?«
»Irgendwo im Gallus. Komm doch mit! Wird bestimmt lustig. Viele Mädels und so. Du stehst doch noch auf Mädels, oder? Du warst der größte Aufreißer an der ganzen Schule. Ich hab nie kapiert, wie du das gemacht hast. Die schönsten Mädchen der Schule lagen dir zu Füßen. Hast du eine Freundin? Natürlich hast du eine, was für eine Frage. Wie sieht sie aus? Sie sieht bestimmt sensationell aus, stimmt’s? Los, erzähl schon! Wie sieht sie aus, deine Freundin?«
Gott, ich war wirklich schon ziemlich betrunken. Was für einen Mist ich daherredete. Ob Bender eine Freundin hatte und wie sie aussah, interessierte mich eigentlich nicht besonders. Er hatte immer gut aussehende Freundinnen, obwohl er aussah wie eine Kraterlandschaft. Sein ganzes Gesicht war voller Pickel und Narben und es war immer leuchtend rot, so als ob ihn ein Mädchen gerade darauf aufmerksam machte, dass sein Hosenstall aufstand und sein Schwanz heraushing. Das Geheimnis seines Erfolges bei den Mädchen lag wohl eher an seinem Charme und seinem guten Körperbau. Er war 1,9 0 Meter groß, ging regelmäßig ins Fitnessstudio und hatte das, was die Mädchen einen Knackarsch nannten. Ob ich auch einen Knackarsch hatte, wusste ich nicht, dafür interessierte mich mein Hinterteil zu wenig. Auf jeden Fall war es von Vorteil, einen Knackarsch zu haben, wenn man die Mädchen so reden hörte. Eine genaue Definition, wie so ein
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