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Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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machte mir etwas aus. Es machte mir sogar so viel aus, dass ich sie fluchtartig verließ, um wieder Tequila zu trinken. Am nächsten Morgen wusste ich wieder nicht, wo ich war und wie ich hieß, aber an die Schande, an mein klägliches Versagen konnte ich mich in allen Einzelheiten erinnern, und ich merkte mir, dass Tequila gegen alles half. Alles außer Schande.

fünfzehn
    Schande war so ziemlich das Einzige, was mich an diesem Abend nicht quälte, also konnte ich getrost Zuflucht im Tequila suchen.
    An einer Straßenecke vor mir sah ich ein Binding-Bier-Schild leuchten; der sicherste Hinweis auf eine Kneipe. Ich ging darauf zu, und als ich nah genug war, um den Namen des Ladens zu entziffern, gab es kein Zurück mehr. Wenn diese verfluchten Vögel mich ohnehin nicht in Ruhe ließen, konnte ich auch gleich in eine Kneipe namens »Fasanen-Eck« gehen.
    Das »Fasanen-Eck« war eine richtige Kneipe. Hier konnte man nur trinken und sonst gar nichts, und ein Wasser war hier sicherlich teurer als ein Bier. Das sah man schon daran, dass es außer der Theke nur einen einzigen Tisch gab, auf dem ein riesiger Aschenbecher in einem verschnörkelten Eisengestell stand, an dem ein kleines Messingschild mit der Aufschrift Stammtisch baumelte. Das Schild war überflüssig, denn die vier Männer, die an diesem Tisch saßen und Skat spielten, waren wahrscheinlich schon dort geboren, wenn nicht sogar gezeugt worden. Mir blieb nichts anderes übrig, als an der Theke Platz zu nehmen, wobei ich zwei Hocker Paranoia-Abstand zu meinem Nachbarn hielt.
    Ich bestellte ein Pils und drei Tequila ohne Salz und Zitrone bei einem dicken Mann in einem verschwitzten Hemd. Der Wirt, wie ich annahm.
    Irgendwo hatte ich einmal gelesen, dass die echten Mexikaner unten in Mexiko ihren Tequila nie mit Salz und Zitrone trinken. Nur Touristen und Weichlinge würden so etwas Schändliches tun. Ein ganzer Mann trinkt seinen Tequila immer nur pur und handwarm, sagen die Mexikaner. Ein ganzer Mann wollte ich zwar nie werden, aber ein Junge, der trinken kann wie einer, das war etwas anderes. Darum trank ich meinen Tequila immer nur pur und wenn möglich handwarm. So schmeckte er zwar äußerst widerlich, aber kein Mexikaner sollte mir nachsagen können, dass ich ein Weichling war. Nicht beim Trinken.
    Ich kippte die drei Tequila schnell nacheinander hinunter, sodass mir jeder Mexikaner anerkennend auf die Schulter geklopft hätte, und ließ dann eine Weile vergehen, bis ich den widerlichen Geschmack mit einem Schluck Bier wegspülte. Schließlich konnte man nie wissen, ob nicht zufällig ein Mexikaner anwesend war.
    Mein Magen fing sofort Feuer und die Hitze stieg mir durch die Kehle direkt in den Kopf. Nichts wirkt so schnell wie drei hintereinander abgekippte Tequila.
    »Was bist denn du für einer?«, fragte der Mensch drei Hocker weiter.
    Ich sah zu ihm hinüber. Er sah gar nicht gut aus, womit ich weniger sein reines Äußeres als vielmehr seine Verfassung meinte. Sternhagelvoll ist ein zu schwaches Wort, um seinen Zustand zu beschreiben. An irgendjemanden erinnerte er mich. Der Blaumann störte. Der Blaumann mit dem Zollstock in der Seitentasche und der Bleistift hinter dem Ohr störten. Und die Baseballmütze, natürlich. Tengelmann. Ohne die Mütze, dachte ich, und ohne den Blaumann würde er aussehen wi e … verdammt, ich kam nicht darauf.
    »He, du! Hab dich was gefragt!«, sagte er, einen Hocker näher rückend.
    »Erwin, lass den Jungen in Ruhe!«, sagte der dicke Mann.
    »Was denn? Ich mach doch gar nichts! Hab nur was gefragt. Wird ja wohl noch erlaubt sein, was zu fragen, hä? Ich tu ihm schon nix, dem Burschen. Oder tu ich dir was, mein Freund?«
    Er saß jetzt direkt neben mir und legte seinen Arm um meine Schultern, als ob wir uns schon seit dem Kindergarten kannten. Sein Gestank war kaum auszuhalten. Ich hielt die Luft an, bis er sich wieder wegdrehte.
    »Ist schon okay«, sagte ich zu dem Wirt. »Noch einen Tequila, bitte.«
    Er gab mir noch einen und ich kippte ihn ab.
    »Was trinkst’n du da?«, wollte mein neuer Freund Erwin wissen.
    »Tequila.«
    »Was’n das? Irgendwas Ausländisches, hä? Gibste einen aus?«
    »Erwin!«, ermahnte ihn der dicke Wirt.
    »Schon gut«, sagte ich. »Machen Sie noch zwei.«
    Eigentlich hätte ich darauf gewettet, dass dieser Erwin alles, was es an Alkoholika gab, kannte und schätzte, aber wenn er nicht einmal wusste, was Tequila war, konnte sein spirituoser Horizont nicht sehr groß sein. Bier und Korn,

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