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Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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nicht geglaubt. Vielleicht würde er dem unscheinbaren Mädchen eine Straße weiter glauben, wenn er auf ihre Anzeige antwortete und sie sich zum ersten Mal trafen. Hoffentlich würde es nicht in einem McDonald’s sein.
    Es gab noch viele andere Fenster, zu denen ich mir Geschichten ausdachte, und alle waren sie traurig. Ich wollte nicht mehr traurig sein, es war genug. Ich wollte gar nichts sein. Nicht traurig und nicht fröhlich und auch sonst nichts. Nichts mehr fühlen, das war es, was ich wollte, und ich kannte nur einen Weg, um diesen Zustand zu erreichen.
    Ich brauchte unbedingt Tequila. Wenn man wirklich nichts mehr fühlen will, ist Tequila immer noch das wirksamste Mittel. Besser als Whisky oder Wodka oder Gin. Tequila hat die Macht, alles zu töten. Enttäuschung, Wut, Frust, Traurigkeit und selbst die Liebe haben keine Chance gegen Tequila, und er würde auch gegen den letzten hartnäckigen Rest Kelly helfen, der sich trotz allem noch in mir festkrallte.
    Zum ersten Mal hatte ich Tequila auf einer Party getrunken, als ich Partys noch toll fand. In dieser Nacht hatte ich auch zum ersten Mal Sex. Jedenfalls sagte man mir das am nächsten Morgen. Sie sagten, ich hätte nackt in der Badewanne gelegen, und dieses Mädchen aus unserer Klasse, Andrea, hätte auf mir gesessen und gestöhnt und geschrien und mir mit einer gelben Plastikente rhythmisch auf den Kopf geschlagen. Da ich an diesem Morgen keinen blassen Schimmer hatte, wo ich überhaupt war, geschweige denn, wie ich hieß, verließ ich diesen Ort schnell, ohne ein Wort zu sagen. Stunden später stellte sich die Erinnerung an die letzte Nacht bruchweise wieder ein und ich stellte entsetzt fest, dass die Jungs nicht nur nicht gelogen, sondern noch nicht einmal übertrieben hatten. Selbst die Plastikente war nicht erfunden, wobei ich mich daran eher wie an einen bösen Traum erinnerte. Es war wie in Hitchcocks Die Vögel , nur dass es keine Krähen, sondern tausend gelbe Plastikenten mit niedlichen, starren Augen waren, die auf mich einhackten. Damals fing es an mit diesen verdammten Vogelviechern und seitdem verfolgten sie mich.
    An den eigentlichen Akt, den lange ersehnten Verlust meiner Unschuld, den ersten Moment der Einführung in diese fremde, neue Welt, fern jeder eigenen Handhabung der Materie, kann ich mich bis heute nicht erinnern. Ich weiß nur noch, wie es endlich vorbei war und die Ente ein letztes Mal auf mein Gesicht niederschoss und mich voll am Auge erwischte. Und ich weiß noch genau, was ich damals dachte. Endlich, dachte ich. Endlich habe ich diesen verdammten Kasten Bier gewonnen!
    Ich hatte diese dämliche Wette mit zwei anderen Jungs laufen, wer es von uns zuerst schaffen würde, und technisch gesehen, war ich der Erste und somit der Gewinner dieser Wette. Ich wusste zwar nicht einmal, ob ich gekommen war oder ob es Spaß gemacht hatte, aber von da an wusste ich, dass Tequila teuflisch war und einen zum Sieger dämlicher Wetten machen konnte. Den Kasten Bier habe ich allerdings bis heute nicht gekriegt, obwohl ich doch etliche Zeugen hatte.
    Am peinlichsten an der ganzen Sache war der nächste Schultag. Ich hatte ein dickes, überdeutliches Veilchen von dieser verdammten Ente und alle grinsten blöd, aber das war lange nicht das Schlimmste; damit hatte ich sowieso gerechnet. Am schlimmsten war dieses Mädchen, Andrea. Sie kam in der Pause freudestrahlend auf mich zugaloppiert, umarmte mich und steckte mir ihre scheinbar endlose Zehnkilozunge in den Hals. Sie war nun wirklich absolut nicht mein Typ, schon gar nicht bei Tageslicht, aber dafür schien ich ihrer zu sein. Sie flüsterte mir ins Ohr, wie süß ich doch gewesen sei, als ich ihr den Heiratsantrag machte und ihr ewige Liebe und die Erfüllung all ihrer Träume schwor. Das Einzige, was ich mir daraufhin schwor, war, vorerst die Finger vom Tequila zu lasse n – und von Andrea, was sie dazu veranlasste, mir eine Riesenszene mitten auf dem Schulhof zu machen. Ich war nur froh, dass sie keine Ente dabeihatte. Drei Tage später war das Ganze schon kein Thema mehr und sie ließ mich in Mathe bei ihr abschreiben. Mädchen sind wunderbar.
    Mein zweites Mal Sex war übrigens auch nicht viel besser.
    Da war ich stocknüchtern und so verdammt aufgeregt, dass überhaupt nichts funktionierte. Dieses Mal wollte ich alles richtig machen und vor allem mitkriegen, aber es ging nichts. Das Mädchen sagte, es wäre nicht schlimm und es würde ihr wirklich nichts ausmachen, aber verdammt, es

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