Sonnenstürme
lachte mich nicht direkt aus, aber ich sah es in den Augen der Leute am Rekrutierungstisch. Verdammt, warum hielten sie mich für unfähig, die Kontrollen einer Navigationsstation oder einer Waffenkonsole ebenso gut zu bedienen wie ein junger Mann? Ich habe einfach das Pech, zur falschen Zeit geboren zu sein.«
Rlinda öffnete die Frachttüren der Neugier und betrachtete die aufeinander gestapelten Container. Dann machte sie Gebrauch von ihren Kontrollkodes und öffnete auch die Luken der Blinder Gaube. Große Bergbaumaschinen warteten dort wie schlafende Kolosse, bereit für die Arbeit.
Doch BeBob wollte von dem Mann den Rest der Geschichte hören. »Zur falschen Zeit geboren? Sie haben Jahrzehnte des Friedens in der Hanse genossen. Warum beklagen Sie sich. Bestimmt hatten Sie ein gutes Leben.«
»Ja, aber es ist langweilig, historische Zusammenfassungen der Abenteuer anderer Leute zu lesen. Als es im Spiralarm endlich interessant wurde, war ich zu alt, um mich darüber zu freuen. Doch davon ließ ich mich nicht aufhalten. Ich habe mein Leben riskiert, indem ich ein Transportal nach dem anderen durchschritt. Vierzehn für die Kolonisierung geeignete Klikiss-Welten habe ich dokumentiert, mehr als sonst jemand.«
Rlinda fragte sich, ob das wirklich stimmte. Sie wusste nicht, wie viele Welten Davlin besucht hatte, entweder mit Absicht oder durch Zufall, als er sich im Netz der Transportale verirrt hatte. Sie hoffte, dass Lotze in jener kleinen, ruhigen Kolonie gut zurechtkam. Nach ihrer Mission wollten BeBob und sie nach Relleker fliegen, unweit von Crenna, doch vermutlich blieb keine Zeit, um ihn zu besuchen.
»Und Corribus gefiel Ihnen am besten?«, fragte BeBob. Rlinda überlegte, ob er ebenfalls nach einem Ort suchte, wo er sich niederlassen konnte – falls er entschied, nicht nach Crenna zurückzukehren, wo er sich so lange versteckt hatte.
»Ja, als diese Welt noch leer und still war«, antwortete Steinman. »Aber dieser Kolonisierungskram verändert alles.«
Rlinda runzelte die Stirn. »Dachten Sie etwa, eine ganze Welt für sich allein zu haben?«
Steinman lachte leise und zeigte dabei kariöse Zähne. »Nein, so großzügig ist die Hanse nicht.« Er sah zur Gruppe, die sich von der Siedlung her näherte. »Es wird Zeit für mich zu gehen. Grüßen Sie jene Person von mir, die schließlich Bürgermeister wird.«
Er schritt durchs flüsternde braune Gras der weiten Ebene, vorbei an Stangenbäumen, die wie die Masten halb versunkener Schiffe aussahen. »Möchten Sie wirklich nichts, Mr. Steinman?«, rief Rlinda ihm nach. »Wie wär’s mit einer Nahrungsration oder einigen Tuben mit Proteinmasse? Ich habe Geschmacklos und Extra Geschmacklos.«
Er winkte mit dem Gehstock. »Nein, danke. Ich werde auf die Jagd gehen.« Steinman war im hohen Gras verschwunden, als die übrigen Corribus-Kolonisten eintrafen.
Rlinda breitete die Arme aus, um die Leute willkommen zu heißen, die sie mit dankbarem Lächeln und freudigen Rufen begrüßten. Sie sah junge Männer und Frauen; einige von ihnen wirkten ehrgeizig, andere verzweifelt. Welche Situationen hatten sie zurückgelassen, dass es ihnen am besten erschien, ganz von vorn anzufangen?
Der Motor einer großen Maschine erwachte zu donnerndem Leben, und BeBob fuhr sie über die verstärkte Rampe der Blinder Glaube. Er ließ das Signalhorn ertönen, und die Kolonisten lachten.
Rlinda sah sich um. »Treten Sie näher. Der Flohmarkt ist geöffnet. Wir haben viele Dinge, die Ihr Leben erleichtern können.«
74 ORLI COVITZ
Orli sah auf Corribus nicht viele Gelegenheiten, Freundschaft zu schließen, aber sie beschloss, es zu versuchen, für ihren Vater und auch für sich selbst.
Mit ihren vierzehn Jahren war Orli eigentlich zu jung für die erste Kolonistenwelle auf neuen Welten. Zu Anfang musste enorm viel Arbeit geleistet werden, um die nötige Infrastruktur und alle anderen Grundlagen für eine funktionierende Kolonie auf Corribus zu schaffen. Erst mit der zweiten Welle konnten Familien mit kleinen Kindern kommen, wenn die Kolonie nicht mehr von regelmäßiger Versorgung durch die Hanse abhing.
Aber Orli hatte immer ihren Beitrag geleistet. Schon während ihrer Kindheit war sie bereit gewesen, Erwachsenenverantwortung zu übernehmen, und auf der Pilzfarm auf Dremen hatte sie viele Arbeiten erledigt. Bei seinem Antrag für die Transportal-Kolonisierungsinitiative hatte Jan Covitz Ethik, Reife, Intelligenz und Kreativität seiner Tochter in den höchsten Tönen
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