Sonnenstürme
eingerichtet. Später, um nicht im Weg zu sein – wie sein Bruder meinte –, war Pery’h heimgekehrt, um zu planen und vom Prismapalast aus Hilfsgüter zu schicken, eine Aufgabe, die seinen besonderen Fähigkeiten und Interessen näher kam.
Pery’h wäre lieber in Mijistra geblieben, umgeben von Politik und Diplomatie. Vor Jahren hatte sein Vater ihm nahe gelegt, sich mit der bekannten Geschichte menschlicher Gesetze und Regierungen zu befassen, um sie besser zu verstehen. Pery’h hatte gehofft, ein oder zwei Jahrzehnte als Botschafter bei der Terranischen Hanse verbringen zu können, weil er ihre Gesetze und Handelsvereinbarungen so gut kannte. Er hatte sogar die berühmte Charta der Hanse analysiert und konnte ganze Passagen aus ihr zitieren.
Wie Adar Kori’nh hatte Pery’h Interesse an denkwürdigen Menschen in der terranischen Geschichte entwickelt. Der frühere Adar hatte viel von der menschlichen militärischen Strategie gelernt; Pery’h konzentrierte sich vor allem auf ihre Gesetze, Traditionen und den Sittenkodex. Nach Begegnungen mit dem unangenehmen Ehrgeiz bestimmter Repräsentanten der Hanse nahmen viele Ildiraner an, Menschen seien generell habgierig und übereifrig. Aber Pery’h hatte von vielen Menschen gelesen, die nachahmenswerte Beispiele für Ildiraner gewesen wären.
Insbesondere faszinierte ihn Sir Thomas More, dessen Überzeugungen diesem mehr bedeutet hatten als das eigene Leben. Als er aufgefordert worden war, einen gewissenlosen Eid zu leisten, hatte sich More dem direkten Befehl seines Königs widersetzt – für Ildiraner eine schockierende Vorstellung! – und sich lieber hinrichten lassen, als Wahrheit und Ehre abzuschwören. Für Pery’h war dies eine Geschichte, die einen Platz in der Saga der Sieben Sonnen verdient hätte…
Voller Zuversicht führte Rusa’h die wachsende Menge aus Hyrillkanern zu den Nialia-Feldern. Mitteilungen wurden den Städten und Dörfern überall auf dem Kontinent übermittelt, mit Rusa’hs Anweisung an alle Bewohner, die nächsten Nialia-Felder aufzusuchen. Er versprach ihnen ein Geschenk, einen Tag voller Freude und Entspannung.
Die Reihen von Nialia-Blüten neigten sich langsam hin und her. Silbrig weiße männliche Komponenten flogen von Busch zu Busch, umschwirrten die weiblichen Blüten an den dicken Stängeln, die sie mit lavendelfarbenen Blütenblättern und Pheromonen anlockten. Die Ildiraner lachten, als sie dem Designierten in die dichten Reihen folgten. Verschreckte männliche Pflanzenmotten stoben wie von einem plötzlichen Wind erfasst empor.
Inmitten der Nialias bewegte sich Rusa’h wie in Trance, streckte die Hände aus und strich mit den Fingerspitzen über haarige Blätter. Er hob die Stimme. »Ich habe die Lichtquelle direkt gesehen. Ich habe Dinge in Erfahrung gebracht, die kein anderer Ildiraner verstehen kann. Vertraut mir, und ich werde euch führen. Dieses Schiing gehört euch! Es ist ein Geschenk für mein Volk. Nehmt es, frisch und stark, öffnet die Türen in eurem Geist, sodass wir alle zusammenwachsen können. Dann seht auch ihr die Lichtquelle!«
Thor’h trat als Erster vor, nahm eine der reifen, mit milchigem Blutsaft gefüllten Knollen und drückte zu. Er ließ sich den Saft in den Mund tropfen und gab die Knolle dann Rusa’h, der ebenfalls trank, aber nur wenig – es schien lediglich eine Geste zu sein.
Pery’h eilte besorgt zu ihm. »Ist es klug für unsere Bürger, so viel Schiing zu nehmen, Onkel? Noch dazu in so starker Form? Es trübt die Verbindung mit dem Thism und trennt uns vom Rest des ildiranischen Volkes. Und so viele von uns gleichzeitig? Wir sollten versuchen, gemeinsam stärker zu sein, anstatt auseinander zu treiben.«
Rusa’h kniff die Augen zusammen und sah Pery’h wie einen Fremden an. »Ich werde alle Ildiraner führen.«
»Der Weise Imperator führt die Ildiraner.«
Rusa’h runzelte die Stirn. »Ich biete einen neuen Weg. Ich habe die Sache mit den Angehörigen des Linsen-Geschlechts besprochen, und sie stimmen mir alle zu.«
»Warte!« Pery’h verabscheute es, dem Designierten zu widersprechen, aber ihm blieb keine Wahl. »Dies ist nicht klug, und ich verbiete es.«
Doch die zwischen den Nialias stehenden Ildiraner waren wie immer bereit, Rusa’hs Anweisungen zu folgen. Thor’h lachte sarkastisch über die Naivität seines Bruders. »Du verbietest eine Verbindung mit der Lichtquelle, Pery’h? Ich bin der Erstdesignierte und verlange, dass alle dem legitimen Designierten
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