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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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war.
    Doch dann erinnerte sie sich wieder an die Physikvorlesungen
im Grundstudium. Ein geomagnetischer Sturm, also eine Schwankung
des Magnetfelds der Erde, induzierte Ströme in Kraftlinien,
die im Grunde lange Leiter waren. Weil es sich bei den
induzierten Strömen um Gleichstrom, beim erzeugten Netzstrom
jedoch um Wechselstrom handelte, geriet das System schnell aus
dem Takt.
    »Die Energieversorger setzen alles daran…«,
sagte Phillippa.
    »Setzen alles woran?«
    »Strom zuzukaufen. Wir haben Lieferverträge
insbesondere mit Frankreich. Aber die Franzosen haben selbst auch
Probleme.«
    »Das System muss doch eine gewisse Toleranz
haben«, entgegnete Siobhan.
    »Sie würden sich wundern«, sagte Toby Pitt.
»Die Nachfrage nach Energie wächst seit fünfzig
Jahren stetig, ohne dass wir jedoch bereit gewesen wären,
neue Kraftwerke zu bauen. Und dann wären da noch die
Marktkräfte, aufgrund derer die von uns installierten
Komponenten kaum in der Lage sind, die an sie gestellten
Anforderungen zu erfüllen – und alles natürlich
zu möglichst geringen Kosten. Ein dynamisches
Störausgleichverhalten kann man unter diesen Umständen
nicht erwarten.« Er hustete. »Tut mir Leid. Der
technische Kram ist ein Steckenpferd von mir.«
    »Das schlimmste einzelne Problem ist der Ausfall der
Klimaanlagen«, sagte Phillippa düster. »Und
dabei ist es noch nicht einmal Mittag.«
    In einem britischen Hochsommer der dreißiger Jahre des
21. Jahrhunderts war Hitze die Todesursache Nummer eins.
»Das wird Menschenleben kosten«, sagte Siobhan
nachdenklich; das erste Mal, dass dieser Gedanke ihr
überhaupt gekommen war.
    »O ja«, sagte Phillippa. »Vor allem alte
Leute, kleine Kinder und Kranke. Und wir können sie nicht
erreichen. Wir wissen nicht einmal, wie viele es überhaupt
sind.«
    Ein paar Softscreens flackerten und wurden dunkel. Das war das
zweite große Problem, mit dem sie zu kämpfen hatten,
sagte Phillippa: Kommunikations- und elektronische Systeme aller
Art fielen aus.
    »Es sind die Satelliten«, fuhr sie fort.
»Die Nachrichten- und Navigationssatelliten – alles
wird dort oben in Mitleidenschaft gezogen, aber auch Erdleitungen
fallen aus.«
    Und als das elektronische Netzwerk der Welt kollabierte,
versagten auch die intelligenten Systeme, die in alles und jedes
integriert waren: Von Flugzeugen bis hin zu Autos, von
Gebäuden bis hin zu Kleidung und sogar in den Körpern
der Menschen – all das versagte nun den Dienst. Der arme,
im Hotelzimmer eingesperrte Mann war nur der Erste. Die
Wirtschaft kam ebenfalls zum Erliegen, als der elektronische
Geldverkehr unterbrochen wurde: Siobhan beobachtete einen Tumult
an einer Tankstelle, als Kreditimplantate plötzlich
zurückgewiesen wurden. Nur die robustesten Netzwerke wie
Regierungs- und militärische Systeme überlebten. Jedoch
war das Gebäude der Royal Society noch über altmodische
Glasfaserkabel mit den Zentralrechnern verbunden, wie Siobhan
erfuhr; so gesehen hatte der Verzicht auf eine
Modernisierungsinvestition sich für das altehrwürdige
Haus durchaus bezahlt gemacht.
    »Ist das auch ein Symptom des Sturms?«, fragte
Siobhan unsicher.
    »O ja. Wir konzentrieren uns zwar auf London, aber die
Katastrophe ist weder lokal noch regional begrenzt, nicht einmal
national. Nach allem, was wir bisher wissen – die
Datenleitungen brechen überall zusammen –, ist sie
global…«
    Siobhan wurde eine Gesamtansicht der Welt präsentiert,
die von einem Satelliten aufgenommen worden war. Über der
Nachtseite des Planeten wirbelten Auroras in hauchzarten,
überirdisch schönen Schleiern. Doch die Welt darunter
war nicht mehr ganz so schön. Die nächtlichen
Kontinente waren bisher von den Lichtern der Städte
konturiert worden, die die Küstenlinien und Ufer der
großen Flusstäler säumten – doch diese
Lichterketten waren nun erloschen. Weil jeder Stromausfall auch
Probleme in den benachbarten Regionen verursachte, breiteten sie
sich wie eine Infektion aus. Die Energieversorger versuchen sich
zwar gegenseitig zu unterstützen, doch kam es, wie Phillippa
sagte, immer öfter zu Konflikten; Quebec beschuldigte
beispielsweise New York, ihm Strom abzuzapfen. An manchen Stellen
sah Siobhan Unheil verkündende Feuer.
    Und das alles innerhalb weniger Stunden, sagte Siobhan sich.
Wie anfällig die Welt doch ist.
    Auf dem Bildschirm setzte ein regelrechtes Schneetreiben ein,
bis das Bild schließlich ganz

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