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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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waren. »Es gibt hier keine
Prototypen und Muster. Alles, was wir produzieren, soll auch
verwendet werden; alles, was wir bauen, wird quasi auf den Schild
gehoben – alles, was Sie hier sehen, wird fliegen. Die
Entwürfe, die man uns von der Erde schickt, werden
ständig modifiziert, und wir versuchen auch die Fertigung zu
optimieren, um eine gegebene strukturelle Stärke mit
minimalem Gewicht zu erzielen. Damit wird der endgültige
Schild eine Art Hybrid, dessen letzte – fünf Jahre
jüngere – Bauteile sich deutlich von den ersten
unterscheiden werden. Das müssen wir aber in Kauf
nehmen.«
    Siobhan betrachtete die Glasbauteile mit echter Ehrfurcht.
Rein äußerlich machten sie nicht viel her, sahen aus
wie Stützpfeiler für ein Fahrgeschäft auf dem
Jahrmarkt oder ein futuristisches Kunstobjekt. Aber diese
sonderbar anmutenden gläsernen Streben und mehrere
zehntausend andere Gebilde dieser Art sollten ins All geschossen
werden, wo sie als Gerüst eines Spiegels montiert
würden, der größer war als der Planet. Ihr
verrücktes ›Bierdeckel‹-Konzept nahm bereits
Gestalt an. Sie verspürte einen Schauder.
    Bud beobachtete die Arbeiter vom Fenster aus. »Wissen
Sie«, sagte er, »ich glaube, das Schicksal der
Menschheit könnte von dieser Mannschaft entschieden werden.
Vor dem 9. Juni war das hier eigentlich nur ein Spielplatz, auf
dem wir ›Mondkolonisten‹ spielten. Nun haben wir
aber ein Gefühl der Dringlichkeit, eines bestimmten Ziels,
eines Auftrags, den wir unbedingt erfüllen müssen. Ich
glaube, dieses Ereignis wird das Programm der Kolonisierung und
Nutzung des Mondes um Jahrzehnte oder noch mehr
vorantreiben.«
    Das bedeutete ihr zwar wenig, aber sie sah, wie wichtig es
für Bud war. »Das ist wunderbar.«
    »Ja. Aber… «, fügte er mit einem
schweren Seufzer hinzu, »manchmal vollführe ich einen
wahren Eiertanz.«
    »Wieso?«
    »Weil das nicht der eigentliche Grund ist, weshalb diese
Leute hierher gekommen sind. Sie sind hauptsächlich
Wissenschaftler, wenn Sie sich erinnern. Und plötzlich sind
sie zur Akkordarbeit abgestellt worden. Ja, die Leute sind mit
Leib und Seele bei der Arbeit. Doch manchmal erinnern sie sich
eben an ihr altes Leben, und dann reagieren
sie…«
    »Vergrätzt?«
    »Ja, so kann man es nennen. Am schlimmsten ist aber,
dass sie sich langweilen. Das ist die
Überqualifizierung. Solange ich sie beschäftigen kann,
kommen wir jedoch gut zurecht.« Er schaute nach
draußen; die Lachfältchen um seine Augen fingen das
Licht ein, und sie sagte sich, dass er mit seinen launischen
Arbeitern sehr zufrieden schien.
    »Kommen Sie«, sagte sie. »Sie haben mir
Hekate noch nicht gezeigt.«
    Als sie losmarschierten, schob sie wie zufällig ihre Hand
in die seine.
     
    Später verließ er mit ihr die Clavius-Basis und
zeigte ihr ›Davids Schleuder‹.
    Als sie sich dem Standort der Schleuder näherten, stand
Siobhan in der Druckkabine der Kuppel des Mondfahrzeugs auf, um
eine bessere Sicht zu haben. Bisher waren erst drei von den
geplanten dreißig Kilometern der Startvorrichtung fertig
gestellt worden. Dennoch war es ein erstaunlicher Anblick: Im
tiefen Sonnenlicht, unter einem pechschwarzen Himmel und vor der
graubraunen Kulisse des Mondstaubs leuchtete die Startvorrichtung
wie ein Schwert.
    Die Ingenieure bezeichneten sie als einen Massetreiber oder
eine elektromagnetische Abschussvorrichtung – oder ganz
banal als Weltraumkanone. Das Herz der Vorrichtung war eine
Aluminiumschiene, die auf einem filigranen und leichten Gestell
ruhte – wie alle Mondkonstruktionen. Um die Schiene war
eine Eisenspule gewickelt, eine riesige Spirale, die Bud als den
Elektromagneten bezeichnete. Am Beschickungsende bewegten
Gestalten in Raumanzügen sich vorsichtig um einen Kran, der
eine schimmernde Kugel auf die Schiene hievte. Die Schiene
erstreckte sich über den ebenen Boden von Clavius und war
bald hinterm nahen Horizont des Mondes verschwunden.
    »Das Prinzip ist ganz einfach«, sagte Bud.
»Es ist eine mit Elektromagnetismus betriebene Kanone. Man
legt die Ladung – die Kugel – auf die Schiene. Dann
pulsiert das in diesem Generatorenhäuschen erzeugte
Magnetfeld…« – er zeigte auf eine
unauffällige Kuppel – »und die Kugel wird die
Schiene entlanggezogen.« Das sich ändernde Magnetfeld
induzierte elektrische Ströme in der Eisendecke, und der
Strom wirkte wiederum dem Magnetismus entgegen: »Das ist
das

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