Sonnentaucher
denn im Moment war er beschäftigt – auf bezaubernde Weise beschäftigt.
Plötzlich wurde ihm schmerzhaft bewußt, wie lange es her war, daß er... Zwei lange Jahre. Er schob den Gedanken beiseite. Tania war tot, und Helene war wunderschön und wunderbar lebendig. Er drückte sie fester an sich und beantwortete ihre Leidenschaft auf die einzige mögliche Art.
»Exzellente Therapie, Doktor«, neckte sie ihn, als er versuchte, sich die Knoten aus dem Haar zu kämmen. »Ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen – obgleich ich sagen muß, du siehst aus, als habe man dich durch die Mangel gedreht.«
»Was – argh... was ist eine ›Mangel‹? Na, schon gut. Ich habe im Moment keine Lust, mir deine Anachronismen erklären zu lassen. Du bist stolz darauf, es fertigzubringen, daß ich mich fühle wie ein Stahlträger, den man eingeschmolzen und verbogen hat!«
»Jawoll.«
Es gelang Jacob nicht, ein Grinsen zu unterdrücken. »Halt den Mund und hab’ ein bißchen Respekt vor Leuten, die älter sind als du. Wieviel Zeit haben wir überhaupt?«
Helene warf einen Blick auf ihren Ring. »Ungefähr zwei Minuten. Verdammt blöde Zeit für eine Konferenz. Du fingst gerade an, mich zu interessieren. Wer, zum Teufel, hat diesen lästigen Termin angesetzt?«
»Du.«
»Ah, ja. Ich. Na, beim nächstenmal werde ich dir wenigstens eine halbe Stunde geben, dann können wir alles ein wenig eingehender untersuchen.«
Jacob nickte unsicher. Es war manchmal schwer zu sagen, auf welcher Ebene die Scherze dieser Fem lagen.
Bevor sie die Tür entriegelte, reckte Helene sich nüchtern zu ihm herauf und küßte ihn.
»Danke, Jacob.«
Er streichelte ihr Gesicht, und sie schmiegte es für einen kurzen Augenblick in seine Handfläche.
Helene öffnete die Tür und spähte hinaus. Draußen war außer dem Piloten niemand zu sehen. Wahrscheinlich hatten sich schon alle zur zweiten Besprechung im Erfrischungscenter versammelt.
»Gehen wir«, sagte sie. »Ich könnte ein Pferd verspeisen.«
Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Wenn er Helene besser kennenlernen wollte, dann würde er sich darauf vorbereiten müssen, seiner Phantasie weiten Spielraum zu lassen. Ein Pferd – also wirklich!
Immerhin hielt er sich einen Schritt weit hinter ihr, so daß er sehen konnte, wie sie sich bewegte. Der Anblick lenkte ihn so sehr ab, daß er den rotierenden Torus gar nicht bemerkte, der draußen am Schiff vorüberschwenkte, die Seiten von Sternenkaskaden umgeben, umstrahlt von einem Lichtschein, so weiß und hell wie der Flaum auf der Brust einer Taube.
24. Spontane Emission
Culla war eben dabei, eine LiquiTube zwischen Fagins Blättern hervorzuziehen, als die beiden herankamen. Die eine Hand war in den verzweigten Ästen des Canten verschwunden, in der anderen hielt er eine zweite LiquiTube.
»Willkommen«, flötete Fagin. »Pring Culla hat mir eben bei meiner Nahrungsversorgung geholfen. Ich fürchte, dabei hat er seine eigene vernachlässigt.«
»Keine Schorge«, sagte Culla. Langsam zog er das Trinkrohr heraus.
Jacob trat hinter den Pring, um zuzuschauen. Dies war eine Gelegenheit, mehr darüber zu erfahren, wie Fagin funktionierte. Der Canten hatte ihm einmal erzählt, daß seine Spezies keine Schicklichkeitstabus kenne. Also würde er gewiß nichts dagegen haben, wenn Jacob am Arm des Pring entlangspähte, um zu sehen, mit was für einer Mundöffnung der halbpflanzliche Alien ausgerüstet war.
So beugte er sich weit nach vorn, als Cullas Arm jäh zurückschnellte und die LiquiTube herausriß. Sein Ellbogen prallte schmerzhaft gegen Jacobs Brauenwulst und warf ihn rückwärts über den Haufen.
Culla klapperte lautstark mit den Zähnen. Die Liqui-Tuben fielen ihm aus den Händen, und seine Arme baumelten schlaff an seinen Seiten herab. Helene hatte alle Mühe, einen Lachanfall niederzukämpfen. Jacob rappelte sich hastig wieder auf. ›Das werde ich dir eines Tages heimzahlen!‹ schien sein Gesicht zu sagen, aber dadurch wurde Helenes Husten nur noch schlimmer.
»Vergessen Sie’s, Culla«, beruhigte er den Alien. »Es ist nichts passiert. Außerdem habe ich ja noch ein Ersatzauge.« Er widerstand dem Bedürfnis, die schmerzende Stelle zu reiben.
Culla blickte mit glänzenden Augen auf ihn herab. Das Klappern ließ nach.
»Schie schind schehr groschmütig, Freund-Jacob«, antwortete er schließlich. »In einem herkömmlichen Klient-Patron-Verhältnisch hätte ich mich wegen Unvorschichtigkeit tschu verantworten. Ich danke
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