Sonnenwende
Wagen auf die Knie gegangen und hast sie angebettelt, dich mitzunehmen?«
»Was!?«
»Sie hat gesagt, du hättest vor Wut darüber, dass sie dir einen Korb gegeben hat, die Lichter von ihrem Auto eingetreten. Stimmt das?«
»Großer Gott, was für ein Unsinn.«
»Hab’ mich schon gewundert – wo ihr euch doch auf meiner Party so innig unterhalten habt.«
Er breitete sein Handtuch aus, legte sich quer zu Füßen der anderen und schaute Tom erwartungsvoll an.
»Was ist? Schieß los.«
Wladimir war hellhörig geworden.
Die
Geschichte kannte auch er noch nicht.
|157| Eigentlich wollte Tom es lieber nicht erzählen, schließlich hatte er sich Elsa gegenüber ziemlich unverantwortlich verhalten, und wenn er nicht gewusst hätte, dass sie ihn zum Teufel jagen würde, wenn er zu ihr ginge, hätte er sich längst bei ihr entschuldigt.
Wladimir: »Mach dir keine Sorgen, Elsa ist ’ne echt hohle Nuss. Was immer du getan hast, ich verzeihe dir.«
Martin sah irritiert zu ihm hinüber. Er war nicht gerade mit Elsa befreundet, aber immerhin hatten sie zusammen studiert, man kannte sich eben. Auch Tom fragte sich, wie Wladimir dazu kam, so über sie zu sprechen.
An dem Tag, als das mit Elsa passierte, war einiges zusammengekommen: Helen und Tom hatten eine von ihren krampfigen Auseinandersetzungen gehabt, das heißt, er war ehrlich genug gewesen, zuzugeben, dass er lieber alleine auf Martins Examensparty gehen wollte. Genau genommen hatte er nur ja sagen müssen.
Helen: »Gib es ruhig zu, du würdest lieber ohne mich gehen.«
»Ja.«
Er wusste, wie der Abend mit ihr laufen würde, sie hatten das schon oft genug durchgespielt. Sie würde an ihm kleben, und er würde sich die ganze Zeit wie an die Leine gelegt vorkommen. Auf dem Rückweg würde er sich wünschen, zu Hause geblieben zu sein. Wahrscheinlich wäre er diplomatischer gewesen, wenn er an diesem Nachmittag nicht gerade das erste und einzige Praktikum seines Lebens hätte antreten sollen.
Er hatte sich bei einer Zeitschrift beworben und war ganz stolz gewesen, genommen worden zu sein. Bevor es losgehen sollte, hatte ihm der Chefredakteur allerdings noch ein paar salbungsvolle Worte mit auf den Weg geben wollen. So war er |158| nach zwei Stunden in einem stickigen Sekretariat, in denen Tom der Assistentin der Geschäftsleitung beim Telefonieren zugesehen hatte, in das Büro des Chefredakteurs gebeten worden, und da saß dieser aufgedunsene, selbstzufriedene Mensch hinter seinen Schreibtisch gezwängt, und während Tom sich noch fragte, wie er da wohl hingekommen war, fiel ihm auf, dass er nicht nur fett war, sondern irgendwie … ranzig. Er war kaum älter als Tom, wenn überhaupt. Der Blick seiner Schweinsäuglein suchte sich den Weg ins Freie aus einem Gesicht, wie es ein Zweitklässler im Handwerksunterricht knetete. Tom drückte seine kalte verschwitzte Hand und dachte, dass er sich lieber von einem Dobermann die Kniekehlen ablecken lassen würde. Der Chefredakteur grinste ihn an, und Tom grinste zurück, und sein Grinsen sagte: »Ich mag dich nicht.«, und Toms Grinsen sagte: »Ich weiß.«
»Nun«, hob er an, und ein saures Tröpfchen verfing sich in seiner Braue, »ich wär’ dann also Ihr neuer Chef.«
Tom stand wortlos auf und ging, um sich dem nächstbesten Dobermann an den Hals zu werfen.
Er beschloss, die Geschichte mit Elsa für sich zu behalten. Er hatte wirklich kein gutes Gefühl dabei: »Nicht der Rede wert, vergesst es, Jungs.«
»Ich kann mir schon denken, warum Elsa dir das erzählt hat«, sagte Paul plötzlich zu Martin, den Tom hinter seiner Zeitung ganz vergessen hatte, der aber an dem Abend mit von der Partie gewesen war.
»Lass hören«, sagte Wladimir, den die Neugier noch einmal in die Senkrechte zog.
Paul: »Tom?«
Paul war verschwiegen wie ein Papagei, aber wenigstens fragte er, bevor er die Geschichten seiner Freunde preisgab. Tom zog die Schultern hoch und blickte auf den See hinaus. Der Tag war sowieso gelaufen, im Moment war ihm alles egal.
|159| »… Von mir aus.«
Paul setzte an: »Bevor ich euch die Story erzähle, müsst ihr etwas wissen: Tom kann Elsa nicht leiden. Konnte er noch nie. Beruht übrigens auf Gegenseitigkeit. Und an dem Abend von Martins Party war er schon vorher schlecht drauf, weil er Stress mit Helen hatte. Jedenfalls: Als wir reinkommen, steht Elsa allein an der Theke und zieht ein Gesicht, als würde sie nur auf jemanden warten, der sie herausfordert.«
Es stimmte, Tom mochte Elsa nicht.
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