Sonnenwende
lag auf dem Rücken, seine Hose bis zu den Knien herabgezogen, die Frau stand über ihn gebeugt und befriedigte ihn mit dem Mund – wie eine aufgezogene Puppe. Und alles auf dieser durchgewetzten grün karierten Matratze. Das war so entwürdigend. Niemals würde Ada das Glied eines Mannes in den Mund nehmen. Sie hatte gehört, dass es Frauen gab, die sogar den Samen schluckten. Bei dem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.
Der Mann stöhnte: »Schlaf mit mir, bitte. Ich will mit dir schlafen!«
Und während die Frau mit einer Hand weiter seinen Penis rieb, streifte sie umständlich ihre Schuhe ab und zog sich Hose und Schlüpfer aus. Den Rest behielt sie an. So stieg sie auf das Bett und kniete sich über ihn. Im Kittel! Albern.
Er stöhnte die ganze Zeit, wie im Film: »Ich liebe dich, ahh, ich liebe dich so sehr …«
Plötzlich umfasste er mit seinen Fingern ganz fest ihren Po und drückte sie auf sich.
»Kommst du?«, fragte sie, »bist du gekommen? Du kannst nicht einfach so kommen, das weißt du doch.«
»Ich … es tut mir leid«, sagte er und streichelte ihr Gesicht.
Sie hörte auf, sich zu bewegen, und legte ihren Kopf auf |149| seine Brust. Ganz lange lagen sie so, ohne sich zu bewegen, ihr nackter Po schimmerte in dem fahlen Licht. Das war so peinlich! Um nicht vor Verlegenheit loszulachen, biss Ada in ihren Zeigefinger. Später fragte er: »Was sollen wir nur tun?«
Da saßen sie schon wieder angezogen nebeneinander. Ihre Beine hingen von der Bettkante, ohne den Boden zu berühren – wie bei Kindern. So von der Seite konnte Ada sein Gesicht erkennen. Er war einer von den Chirurgen. Ein attraktiver Mann, wenn er nicht gerade mit heruntergezogener Hose auf einem alten Krankenbett lag, in dem schon wer weiß wie viele Menschen mit allen möglichen Krankheiten gelegen hatten. Sehr gepflegt, mit glatten dunklen Haaren, die immer ordentlich nach hinten gekämmt waren. Und er hatte ganz glatte Haut, gar nicht faltig. Ada sah ihn manchmal, wenn sie Spätschicht hatte, wie er das Krankenhaus verließ. Er hatte einen eigenen Parkplatz mit Namensschild und eine große dunkelblaue Limousine. Einmal hat ihn seine Frau abgeholt. Sie hatte ein Kind dabei, und eigentlich dachte Ada, sie hätten ganz glücklich ausgesehen.
»Das kann doch nicht ewig so weitergehen.«
»Ich weiß es nicht«, sagte die Frau traurig. Da tat sie Ada dann doch leid, wie sie so neben ihm saß und ihren Kopf an seine Schulter gelehnt hatte. Bestimmt war sie sehr einsam.
Nachdem sie gegangen waren, lehnte Ada noch lange mit dem Rücken an der Tür und hielt die Augen geschlossen. Heute sind komische Dinge passiert, dachte sie, und erinnerte sich an die Spatzen, die während der Sonnenfinsternis ganz irritiert über den Bürgersteig geflattert waren, und an den Morgen, als sie sich geschnitten hatte. Und an die Begegnung mit ihrem Nachbarn – Wladimir. Selbst jetzt fühlte sie noch den klopfenden Puls in ihrem Daumen, wenn sie die Röhrchen mit den Blutproben aus der Zentrifuge nahm.
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|150| Zwillinge
Wladimir: »Sag mal, ist Helen eigentlich immer so drauf? Wenn ja, dann frag’ ich mich, wie du es bis jetzt mit ihr ausgehalten hast. Ein falsches Wort, und die geht ab wie ’ne Rakete.«
Tom: »Während du ja völlig ruhig geblieben bist.«
»Was willst du? Glaubst du, ich sitze einfach da und höre mir an, was für ein ach so armseliges Arschloch ich doch bin, und halte ihr dann auch noch die andere Wange hin?«
»Du warst nicht gerade diplomatisch.«
»Wer die Wahrheit nicht verträgt, der soll sie nicht herausfordern.«
Tom wollte loyal sein: »In manchen Dingen hat sie recht, finde ich.«
»Ach ja?«
»Ja. Ein fester Arsch verstellt bei dir einfach den Blick aufs Wesentliche.«
»Ich dachte, ein fester Arsch sei das Wesentliche.«
»Mal im Ernst. Wenn ich sehe, wie du selbst der naivsten Zippe einen sympathischen Charakter andichtest, solange nur ihr Hintern knackig genug ist, dann finde ich das ziemlich entwürdigend.«
»Ach? Sind wir jetzt bei der Würde angelangt?«
»Es zeugt nicht gerade von Wertschätzung – auch nicht dir selbst gegenüber.«
Wladimir verdrehte die Augen: »Das Ende aller Erotik.«
»Erotik hat etwas mit dem Kopf zu tun. Was du meinst, ist Sex.«
»Na schön, dann eben das Ende vom Sex.«
|151| »Nur so, wie du ihn praktizierst.«
»Ich soll also ab sofort lieber Cellulite-Ärsche kneten, weil das von größerer Wertschätzung mir selbst gegenüber zeugt?«
»Stell dich
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