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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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Beatnik hielt? Kein gewöhnlicher Verbrecher konnte all dies geplant, konnte so genau vorberechnet haben, wie ich reagieren würde.
    Während ich ihn abschätzend betrachtete, rülpste er. Dann machte er kehrt und schlenderte ins Wohnzimmer. Jenny kniete auf einem Sessel und schaute ihm lachend über die Lehne entgegen, und deshalb rülpste er noch einmal, lauter als zuvor.
    »Anne und Glenn!« krähte er. »Glenn, was ein Name! Kleines Haus im Vorort, wo die richtigen Leute wohnen , Jenny, das Rückgrat der Nation, wie im Kino. Kartenhäuser mit Pergamentwänden, und Toiletten, die niemals rauschen, weil in den feinen Vororten niemand scheißt.«
    Ich schritt zwischen den beiden durch, zur Bar. Keine gute Idee, aber das war mir gleichgültig. Beim Gehen merkte ich, daß die Schmerzen etwas nachließen, aber kalter Schweiß rann mir den Rücken hinab. Jenny schaute mir nach, hörte aber Wilby zu – und ich stolperte wieder über das Rätselhafte ihrer Beziehung.
    »Glenn-Glenn nimmt den Frühzug, und seine Aktentasche glänzt wie sein Gesicht, und es steckt viel mehr drin als in seinem Kopf, und er kneift die Sekretärinnen im Büro, während die shakespearische Anne sich noch einmal im Bett herumwälzt und darauf hofft, um meines süßen, gnadenlosen Bruders willen, einmal richtig vergewaltigt zu werden, ehe er mit dem Abendzug zurückkehrt.«
    Ich trank. Wollte er mich noch mehr reizen? Oder gab er die Vorstellung zu Jennys Vergnügen? Oder zu seinem eigenen? Die Wohnung – nein, nicht nur die Wohnung, mein ganzes Leben – war verseucht durch Dreck, Niedertracht. Zerstörungswut. Der Gestank drang förmlich in meine Nüstern.
    Wilby stellte sich in Positur, die Arme anmutig über dem Kopf, mit grinsendem Mund und leeren Augen.
    Ich mußte es hinter mich bringen. Und doch schien es mir wichtig, alles zu erfahren.
    »Wieso sind Sie auf mich verfallen?«
    Vielleicht lag es an der Leichtigkeit meines Tons, die ihn überraschte. Er ließ die Arme sinken. »Wer weiß, Paps? Schicksal. Glück. Oder die Fügung meines Bruders da oben.« Er flegelte sich rücklings auf den Boden, die Arme ausgebreitet. War die Karikatur der Kreuzigung absichtlich oder zufällig?
    Ich holte mir eine Zigarette aus der Packung, die auf der Bar lag. »Sie wissen doch alles von mir, oder?«
    »Klar, Mann. Hab' im Anwaltsverzeichnis nachgeschlagen.«
    Möglich. Aber ob es nun stimmte oder nicht, war mir klar, daß wir zu gegebener Zeit trotz seines Ableugnens wieder auf Geld zurückkommen würden. Ich war seltsam gelassen, als ich mir die Zigarette anzündete.
    »Warum ausgerechnet ich? In einer Neunmillionenstadt?«
    »Zufall«, sagte Wilby sanft. »Wie alles. Zufall, Chaos, verstehste, Mann? Kapito?«
    »Kapito«, antwortete ich und sah, wie er auffuhr.
    »Du machst dich über mich lustig«, sagte er.
    »Klar.«
    »Glaubste das? Daß da oben niemand existiert?«
    Ich überlegte. Obgleich ich selten in die Kirche ging – nur gelegentlich, wenn Lydia einmal wollte, und dann mehr ihr zuliebe –, hatte ich aus der Kindheit die Vorstellung bewahrt, daß es eine gigantische Ordnung mit einem allmächtigen Wesen gab, das alles aus irgendeinem Grund geschaffen hatte: ja. Ich hatte mich allerdings nie näher damit befaßt, jedenfalls nicht seit dem Tod meines Vaters.
    »Ich kann unmöglich an ein höheres, intelligentes Wesen glauben, wenn ich gleichzeitig Sie vor Augen habe«, antwortete ich, und spürte, daß der Alkohol mir zu einer merkwürdig distanzierten Betrachtung verhalf – etwas irritierend, aber doch im Augenblick sehr tröstlich. Wilby schwieg lange. Dann legte er sich wieder hin und bedeckte die Augen mit dem Arm. »War zufällig auf dem Flugplatz, John-F.-Kennedy-Flugplatz, als die britische Frau Gemahlin abflog, hatte zufällig einen alten Bekannten begleitet, der für das State Department in den Irak reiste. Sah zufällig den Abschied, sehr rührend, zwei Spießer, die sich in der Öffentlichkeit küßten, sehr höfliche Küsse, kühl, Mann, da kam mir der Gedanke: Wieviel machen die zwei sich vor?« Sein Ton klang sanft spekulierend, und ich hatte keine Ahnung, ob er log oder nicht. »Sich selbst und sich gegenseitig.«
    »Wenn wir uns nicht liebten«, warf ich ein, »hätte ich Ihnen heute nacht nicht halb soviel durchgehen lassen.«
    »Wenn ihr euch liebtet, wären dir heute nacht die Gäule nicht so durchgegangen. Kapito?«
    Jenny kicherte. Ich schaute nicht in ihre Richtung. Was zwischen Jenny und mir geschehen war,

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