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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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meine Tochter?«
    »… nur ein Mißverständnis, wenn Sie bereit sind –«
    »Geoffrey, ist meine Tochter nicht gerade herausgekommen?«
    Er runzelte die Stirn. »Aber ja, Mr. Wyatt. Ich hatte ihren kleinen Wagen hier geparkt, und sie ist losgeprescht, ehe ich ihr den Schlag aufhalten konnte.«
    Ich brauchte bis zum Sommerhaus in Newton zwanzig Minuten weniger als die üblichen zwei Stunden. Sofern Minuten oder Stunden noch etwas bedeuten. Das war aber nicht der Fall: Die Fahrt dauerte zehn Jahre, länger noch. Metallisches Flimmern, gnadenlose Sonne, drückende Hitze, Dröhnen und Hupen und Hetze und Auspuffgase von tausend Wagen. Die Kratzwunden auf meiner rechten Hand stachen feuerrot ab, so umklammerte ich das Lenkrad; sie brannten und pochten, und die Schmerzen krochen langsam bis zur Achsel hinauf – aber ich genoß die Schmerzen und verkrampfte meine Hand noch stärker am Steuer. Du hast genug dafür gelitten, daß du zweimal mit einer Hure geschlafen hast. Nein, Hank. Anne weiß Bescheid. Schlimmer noch – sie kennt nur die halbe Wahrheit, aber malt sich doppelt soviel aus. Und nun wird Lydia es erfahren. Oder Anne muß ebenfalls mit einer Lüge leben. Wie ich. Wozu ich hoffentlich in der Lage sein werde: lebendig, um mit einer Lüge zu leben. Ich sah Annes Gesicht vor der gleißenden Windschutzscheibe: dieser fassungslose Ausdruck von Schreck und Schmerz und Ungläubigkeit. Entsetzen. Das Aufblitzen von Haß, als sie bebend vor mir zurückwich. Bitte, fahr jetzt vorsichtig, Anne, gib acht, weine nicht, bitte, hör zu weinen auf und schau auf die Straße, rase nicht, bitte, Anne –
    Annes Gesicht verwandelt sich in Lydias. Haß? Lydia ist bereits auf dem Weg. Sitzt wahrscheinlich schon in der Maschine. Viele Nachtflüge zu dieser Jahreszeit.
    Angenommen, Jenny liegt mit ernstlichen Verletzungen stöhnend am Boden, wenn Wilby kommt. Was dann? Chenery muß dann eingreifen. Einzige Möglichkeit. Will nicht wissen, was er tut und wie er es erledigt. Aber keine Spuren. Will nur hinterher die Rechnung. Aber ich vergewisserte mich nicht, fuhr an einer Telephonzelle nach der anderen vorbei, ohne anzuhalten.
    Ich erreichte den letzten Hügel, bog um die letzte, so vertraute Kurve und dann in die Auffahrt. Im Schatten unter Bäumen, immer kühl und einladend. Doch Annes Wagen stand nicht dort. Glenns Volkswagen in der offenen Garage, aber nicht Annes Auto. Den ganzen Weg hatte ich diesen Gedanken verdrängt: daß Anne möglicherweise nicht nach Hause fuhr.
    Als ich ausstieg, rief Glenn freundlich von der Seite des Hauses herüber: »Ich bin hier. Wer ist denn gekommen?«
    Dann erschien er an der Hausecke: hochgewachsen, schlank, sportlich, mit kurzgeschnittenem, blondem Haar und einem Lächeln auf den Lippen, noch ehe er mich erkannte. Buntes Sporthemd und fleckige, zerknitterte Hose.
    »Na, das ist aber eine Überraschung! Wie geht's dir?« Jugendfrische Herzlichkeit – die aus seinem Gesicht wich, als er mich beim Händeschütteln näher ansah. »Stimmt was nicht?«
    Sollte ich es ihm sagen? Mit der ganzen Geschichte herausplatzen, es schnell hinter mich bringen und dann in die Wohnung zurückeilen? Nein. Wieweit konnte ich mich darauf verlassen, daß er es Anne schonend beibrachte?
    »Ja«, gab ich zu.
    »Komm mit nach hinten zum Grill. Anne ist in der Stadt, aber sie muß jeden Augenblick –« Dann blieb er mitten auf dem Rasen stehen und drehte sich um. »Hat … hat es etwas mit Anne zu tun?«
    Ich kann Anne einfach nicht leiden sehen, das ist alles. Ich kann es nicht ertragen.
    »Ja, auf gewisse Weise.«
    Und ich entsann mich, nun mit bitterer Ironie, meiner Überzeugung seit einem Jahr, seit der Hochzeit, daß Glenn nicht richtig für Anne sorgen konnte. Zu jung und unreif. Und mir war natürlich bewußt, als ich mich auf meinen Lieblingsstuhl im Schatten des alten Ahornbaums neben der Feuerstelle niederließ, daß mich Glenn in diesen zwölf Monaten mit ähnlichen Vorbehalten betrachtet hatte. Nein, das kann ich dir nicht sagen, Daddy. Du kaufst es bloß und dann macht mir Glenn eine Szene –
    »Soll ich dir einen Drink mixen? Du siehst –«
    »Nein, danke.« Und mit mildem Erstaunen merkte ich, daß ich während der langen, heißen Fahrt nicht einmal daran gedacht hatte, wegen eines Drinks anzuhalten, ehe ich Anne gegenübertrat. Anne, die nicht hier war. Wo mochte sie –
    »Möchtest du es mit mir besprechen oder auf Anne warten? Sie muß bald kommen.«
    Wie konnte ich mir einen

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