Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
Vom Netzwerk:
verließ –
    Jemand hatte sie angerufen. Ein panischer Schrecken durchzuckte mich, raubte mir den Atem. Minnie? Die Missis würde es aber wissen wollen. Ich habe ihre Adresse in England –
    Quatsch! Ihr Brief mußte vergangene Woche aufgegeben worden sein. Ich hatte erst gestern mit Minnie telephoniert. Irrsinn, sich so etwas einzubilden. Ich bekam wieder Luft.
    … und gleichzeitig mit einer gewissen – bitte, reg Dich nicht auf, versuch, mich zu verstehen – Hoffnung. Der Hoffnung, vielleicht zu einer bestimmten – Perspektive nennt man es wohl – zu gelangen, über mich, über Dich, über uns.
    Perspektive? Lydia, wovon redest du eigentlich? Eine Perspektive über uns? Die kalte Angst packte mich wieder.
    Und ich glaube, daß ich auf dem besten Weg dazu bin. Es kommt wohl eine Zeit im Leben, da man als reifer und zivilisierter Mensch von allem und jedem – von einem selbst und von denen, die man liebt – Bilanz fordern und sich dann mit dem bescheiden muß, was man hat.
    Lydia, das sieht dir gar nicht ähnlich? Was redest du da? Was willst du damit sagen?
    Ich liebe Dich, mein Liebling, und vermisse Dich, und ich weiß, daß auch Du mich liebst und vermißt. Ich fürchte, dies ist der einzige für uns gangbare Weg, die Perspektive, an die wir uns gewöhnen müssen. Um die Wahrheit zu sagen, Adam, ich kam mir zum ersten Mal in diesem letzten Monat alt vor. Nein, schon das vergangene Jahr. Aber ich fürchte, auch daran muß man sich gewöhnen.
    Nicht alt, Lydia, du doch nicht, niemals –
    Gute Nacht, Adam – und wenn Du mich nicht verstehen kannst, vergib mir. In Liebe.
    Verstehen? Nein. Benommen starrte ich die Blätter an. Ich hieb mit der Faust auf den Schreibtisch und spürte den Schmerz den Arm hinaufschießen, ehe noch das Poltern im Raum widerhallte. Ja, ich liebe dich, Lydia, daran kannst du nicht zweifeln. Um das zu wissen, bedarf es keiner Perspektive. Du mußt doch wissen, daß ich dich liebe! Das steht doch außer Frage –
    Ich vernahm ein gequältes Stöhnen und merkte, daß es von mir kam. Ich sank im Sessel zusammen und ließ den Kopf sinken. Über dem Brief. Schloß die Augen.
    Glenn meint, wenn sich ein Ehepaar länger als unbedingt nötig voneinander trennt, dann bedeutet das … meistens, daß irgend etwas nicht mehr stimmt.
    »Sie werden es nicht für möglich halten, aber es ist elf.«
    Ich hob den Kopf. Lee Gray war eingetreten, ohne zu klopfen. Er ließ sich in einem Sessel nieder und sog an seiner Pfeife.
    Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich Worte fand: »Hat Ihnen niemand beigebracht, erst zu klopfen, ehe Sie in ein Privatbüro hineinplatzen?«
    Er stutzte, auf die Arme gelehnt, glitt dann tiefer in den Sessel und schwang ein Bein über die Lehne. Hinter der dicken Hornbrille blinzelte er. »Tut mir leid. Wußte nicht, daß sich die Spielregeln geändert haben. Wir waren für elf verabredet. Um den Termin im Fall Corbin zu besprechen. Fragen Sie Phoebe.«
    Ich sank sehr langsam in meinem Sessel zurück, damit mir der Schädel nicht zersprang. Bei Phoebe brauchte ich mich nicht zu erkundigen. Was war nur mit meinem Gedächtnis los?
    »Ich muß es vergessen haben«, sagte ich.
    Er winkte abwehrend mit einer langen, schmalen Hand und schlug den Ordner auf, den er mitgebracht hatte. »Jemand hat mir schon Manieren beigebracht, allerdings nicht meine Eltern. Ich wuchs im Waisenhaus auf.«
    »Verzeihen Sie, Lee.«
    Merkwürdig, daß ich das nicht gewußt hatte. Seltsam, daß ich so wenig von ihm wußte, obgleich er seit fünf Jahren in der Firma war. Seine Fähigkeiten schätzte ich, kannte seine jugendliche Rücksichtslosigkeit, mit der er juristische Fragen direkt und intelligent anging, aber besonders sympathisch war er mir nie gewesen. Anfang Dreißig, hochgewachsen und hager, hatte er eine äußerst präzise Ausdrucksweise, die in direktem Widerspruch zu seiner betont lässigen Haltung stand. Er hielt immer eine schwarze Pfeife in der Hand oder zwischen den Zähnen und hatte in den wenigen Augenblicken bereits mein Büro mit blauem Rauch, der eher würzig als nach Tabak und ekelhaft süßlich roch, vollgequalmt.
    »Bevor wir uns mit dem Fall Corbin befassen, interessiert es Sie vielleicht, was ich in der Sache Welch entdeckt habe.«
    Welch? Ach ja, der verschüchterte, bestürzte kleine Mann, der Fahrerflucht begangen hatte. »Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Lee.« Meine Stimme klang mir wenigstens ziemlich normal.
    »Higgins, der Kläger, der behauptet, unser

Weitere Kostenlose Bücher