Sonst kommt dich der Jäger holen
»Der folgende Anruf kommt von einer Nebenstelle der Firma Puster, Bittermann & Sohn, aus der Büchsenmacherei. Der Stimmabgleich hat ergeben, dass der registrierte Nebenanschlussbenutzer identisch ist mit der Person, die die Nachricht hinterlassen hat.«
»Fahr ab«, nickte der Chef.
Es war so still, dass das Team den Häuptling atmen hörte. Was bei allen zu noch höherer Anspannung führte. Wenn er so schnaufte, stand er kurz vor einer Explosion. Der technische Mitarbeiter am Computer wohl auch. Er hatte an die falsche Stelle gespult, und so hörten sie einige Sekunden lang eine Mickeymaus. Niemand lachte. Endlich eine Männerstimme. »Hallo, Frau Fischer. Sepp Friesenegger hier. Also ich hab mich mal umgehört, wie wir das besprochen haben. Ein Kollege in Kiel, auch Büchsenmacher, hat sich an was erinnert. Ist aber schon eine Weile her. Es hat mal einen Einbruch gegeben. Da wurde Gerd Jensen niedergeschlagen. Und zu der Zeit gab es bei denen da oben auch eine Serie von Einbrüchen bei Behörden und Ämtern. Gestohlen wurden bloß leere Waffenbesitzkarten, also die Formulare, nichts anderes. Es heißt hinter vorgehaltener Hand, dass die Russenmafia dahintersteckt. Es geht auch das Gerücht von gefälschten Seriennummern. Was natürlich langfristig beides nichts bringt. Aber auf den ersten Blick kann so was bei einer Kontrolle zum Beispiel bestimmt durchgehen. Und oft will man ja erst mal Zeit gewinnen in solchen Kreisen, stell ich mir vor. Keine Ahnung, ob Ihnen das weiterhilft. Man kann sich ja mal treffen, oder? Mir hat Ihr Tipp was gebracht. Der Alte liegt mir nämlich am Herzen. Meine Nummer haben Sie ja. Servus.«
»Noch mal«, verlangte der Chef. Und dann fragte er. »Wer ist der Typ?«
»Das wissen wir nicht.«
»Wir müssen mit diesem Friesenegger reden. Heute noch. Und mit seinem Informanten.«
Einige verstohlene Blicke glitten zu der großen Bahnhofsuhr an der Wand – die einzige Deko in diesem kahlen Raum. Stumm verständigten sich die Untergebenen, dass sie Herrn Friesenegger wahrscheinlich erst morgen befragen würden.
Schwer schnaufte der Häuptling. »Das Ganze ist eine Katastrophe! Wir sind so nah dran, so nah!« Er presste Daumen und Zeigefinger der rechten Hand aufeinander.
»Ja, aber das ist doch nichts Neues! Es hat diese Einbrüche gegeben. Der Vorgesetzte von Jensen, der darin verwickelt war, ist für uns gläsern. Der kann keinen Schritt tun, ohne dass wir darüber informiert werden. Priorität A. Von dem geht keine Gefahr für unsere jetzige Operation aus«, wagte ein Mitarbeiter zu widersprechen, der noch nicht lange zum Team gehörte und wohl auch nicht mehr lange dabei sein würde.
»So funktioniert das nicht!«, donnerte der Chef, der für seine langjährigen Mitarbeiter ebenfalls gläsern war, erwartungsgemäß, doch diesmal war zur Abwechslung nicht klar, was er meinte. Den Inhalt des Einwands oder Widerspruch als solchen.
Seine Mitarbeiter zogen die Köpfe ein. Alle wussten, wie wichtig dieser Erfolg war. Etatkürzungen standen an. Die auch sie betreffen konnten. Außerdem würde der Chef nicht mehr allzu lange bei ihnen sein. Und er wollte keinen Abschied in die Pension, er wollte eine Krönung. Wenn der Coup gelang, würde man vom Chef auch in einigen Jahren noch sprechen. Jewgeni war seine Pforte in die Unsterblichkeit. Und ihr Job war es, sie weit aufzuhalten, damit der Häuptling bequem hindurchgehen konnte.
»Ja, und dann haben wir noch was«, kündigte der Mann am Computer an.
»Es ist nämlich so«, erklärte der zuständige Bereichsleiter »dass der Hauptkommissar aus Fürstenfeldbruck …«
»Dieser Tixel?«, schoss der Chef.
Der Abteilungsleiter nickte. »Ja. Er ist ja jetzt abgezogen von dem Fall. Doch wir sind uns nicht sicher, inwieweit er, ich will es mal so sagen, inwieweit er davon überzeugt werden konnte, dass es keine Verbindung zwischen seinem toten Jäger und unseren Russen gibt.«
»Das hat der schon kapiert«, mischte sich ein Kollege ein. »Der ist zwar ehrgeizig, aber nicht blöd.«
»Und dann diese Tennislehrerin«, brummte der Chef.
In sieben Augenpaaren blinkten Fragezeichen. Nach und nach verglimmten sie. Er meinte die Fitnesstrainerin. Niemand machte ihn auf den Irrtum aufmerksam.
»Wie hat der Jensen das rausgekriegt, dass sein Chef in Kiel mit den Russen Geschäfte macht?«, fragte ihr jüngster Kollege. »Und wieso muss der dann ausgerechnet hierher versetzt werden?«
»Der Jensen sollte so weit weg wie möglich. Und der Rest,
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