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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Näher zu mir!«, befahl ich ihm. »Hier!!!«
    Wie eng konnte ich den Volvo in die Kurven legen? Wie fest konnte ich in die Bremsen steigen … Zwei Tonnen Volvo schoben, und das Heck des Wagens schien beim Bremsen abzuheben und überholen zu wollen – so also fühlte es sich an, wenn Reifen blockierten. Mir stockte der Atem. Rechts neben der Straße ging es steil nach unten. Für immer. Wie durch ein Wunder fing sich der Volvo wieder und ich mich auch. Flipper stemmte sich mit den Vorderpfoten in eine Ecke. Ich kniff die Augen zusammen, als mich die Lichter im Rückspiegel erneut blendeten – und auf einmal waren sie weg.
    *
    »Wie darf ich das verstehen, sie ist weg?«, fragte der stellvertretende Chef der Observationsgruppe.
    »Tut mir leid. Sie kam nicht zum Frühstück. Ihr Auto ist weg, das Zimmer ist leer. Sie ist um 1:06 Uhr abgereist.«
    »Verdammt, Sonja! Was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Wir haben das Programm durchgezogen wie besprochen. Es gibt keine Stelle an meinem Körper, die mir nicht wehtut. Gestern Nacht haben wir einen Vollmondlauf gemacht. Danach haben wir uns normal verabschiedet. Ich bin sofort eingeschlafen, und das hätte sie auch tun müssen. Die müsste total platt gewesen sein, fix und foxi.«
    »Wenn wir hier jetzt irgendwen nicht brauchen können, dann ist es die … Tennislehrerin.«
    »Wie bitte?«
    »So nennen die anderen sie. Die Tennislehrerin. Das war ein verdammt guter Plan, sie in Sicherheit zu bringen. Es ist ein Russe auf sie angesetzt, der sie töten soll. Das ist dir klar? Wir können von Glück sagen, dass der unser V-Mann ist. Ist dir die Brisanz der Lage bewusst?«
    »Selbstverständlich.«
    »Gibt es irgendwas von Interesse?«, fragte der Stellvertreter.
    »Privat hat sie sich sehr bedeckt gehalten. Ich sollte sie ja bloß beschäftigen, auf Trab und weg von München halten. Das habe ich auftragsgemäß erledigt.«
    »Glaubst du, sie ist nach Hause gefahren?«
    »Wohin sonst? Freund hat sie keinen. Außer sie hat mich angelogen. Aber das glaub ich nicht. Die ist Betonsingle.«
    »Okay. Schick mir deinen Bericht.«
    »Tut mir leid, das Ganze.«
    »Ja. Mir auch«, sagte er, legte den Hörer auf, ging eine Runde um seinen Schreibtisch. Und dann noch eine. Dann wählte er eine Kurzwahlnummer, die ihm lieber war als die Durchwahl zum Häuptling. Es erst mal mit der Bereitschaft versuchen. Leute ausschicken. Den Ball flach halten. Keine schlechten Nachrichten aus seiner Abteilung, denn die sollte ja nicht die Endstation seiner Karriere sein.
    »Die Tennislehrerin ist weg. Letzte Nacht abgehauen. Sorg dafür, dass jetzt gleich die ersten Anlaufstellen abgefahren werden. Ihre Wohnung, Arbeitsstätte und so weiter. Und informier den V-Mann-Führer. Besprechung in vier Stunden. Die komplette Mannschaft.«

68
    Um acht rief ich bei Andrea an, um mich zum Frühstück einzuladen. Vor rund fünf Stunden hatte ich den Volvo in der Nähe ihrer Wohnung geparkt. Natürlich war es verlockend gewesen, nach Hause zu fahren und in mein eigenes Bett zu schlüpfen. Doch die Vernunft hielt mich davon ab. Also hatte ich die Rückbank umgeklappt, meinen Schlafsack ausgepackt und mich an Flippers starke Schulter gekuschelt. Seine Ruhe und Wärme beruhigten mich. Andrea ging nicht ans Telefon. Ich stieg aus und klingelte. Niemand öffnete. Das brachte mich so durcheinander, dass ich mich zusammenreißen musste, nicht zu heulen. Was war bloß mit mir los? Ich heulte doch sonst nie. Da mussten ganz andere Sachen passieren, dass es mich mal erwischte. Und jetzt stiegen mir die Tränen hoch, wenn eine Freundin nicht zu Hause war? Wieso war ich so empfindlich? Am liebsten hätte ich mich in ein Schneckenhaus zurückgezogen. Doch ich musste aktiv werden. Aber wie? Sollte ich auf einer Polizeidienststelle meine wirre Geschichte erzählen, von der Russin aus Berlin mit den zwei Personalausweisen? Sie hatte mir nichts getan. Niemand hatte mir irgendetwas getan, sogar die beiden Schläger hatten mich nicht wirklich erwischt, und die Männerstimme, bei der ich mich nach der Frau mit dem Pferdekopftattoo erkundigt hatte, war nicht als Rasierklinge aus dem Telefonhörer geschnellt. Doch es fühlte sich so an, als würde sich das Netz um mich immer enger ziehen. Das Netz, das nur ich wahrnahm?
    Flipper musste mal. Ich traute mich nicht, ihn aus dem Auto zu lassen. An meinem Hund würden sie mich erkennen, wer auch immer sie sein mochten. Flipper würde mich zwar beschützen, aber er würde mich eben

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