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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Und als ich ein, zwei Minuten mit ihm gespielt hatte, war ich auch meine Angst los. Mein Atem floss ruhig. Nun ließ Flipper sich gerne knuddeln. Mit einem dumpfen Stöhnen bettete er seinen Kopf in meine Hände. »Ich bin so froh, dass du da bist! Ich hab gedacht, die wollen uns vorsätzlich trennen. Ich hab gedacht, die tun dir was an, um mich zu bestrafen, Flipper. Mit dieser Erika stimmt was nicht. Das ist vielleicht gar keine Geschäftsführerin von einer Marketingfirma, die heißt womöglich Lena oder ganz anders, da stimmt gar nichts, hinten und vorn nicht, überleg doch mal, Flipper, wie dieses Bootcamp zustande gekommen ist, das hat doch von Anfang an gestunken! Wir müssen weg, Flipper. Ich weiß zwar nicht, warum, aber hier ist es brandgefährlich. Die steckt mit den Russen unter einer Decke.« Er hörte sich das alles höflich an, doch es interessierte ihn nicht. Allerdings bemerkte er meine Anspannung. Auf die reagierte er. Brachte mir sein Stofftier, stupste mich an. Ging drei Schritte zurück, schaute mich auffordernd an. Ich setzte die Wasserflasche an und nahm ein paar schnelle Schlucke. »Wenn ich nur wüsste, warum die hinter uns her sind.«
    Flipper schaute zur Tür. Sofort beschleunigte sich mein Herzschlag wieder. »Pscht«, machte ich überflüssigerweise, erhob mich, riss die Tür auf und spähte nach rechts und links über die dicken dunklen Teppiche den Hotelflur entlang. Nichts. Flipper wollte raus. »Nein«, flüsterte ich, »du musst noch kurz warten. Ich muss sie in Sicherheit wiegen, verstehst du. Sie soll glauben, ich hätte keine Ahnung. Dann wird sie ins Bett gehen, die wird fix und fertig sein nach dem Lauf, und wir hauen ab, okay?«
    Wuff, machte Flipper.
    An der Rezeption dauerte es noch gute fünf Minuten, ehe Erika hereingepoltert kam, mit knallrotem Gesicht.
    »Na, auch schon da?«, begrüßte ich sie frech.
    »Was war denn mit dir los?«, keuchte sie.
    »Obstler und Gselchtes!«, behauptete ich. »Prima Brennstoff.« Ich konnte ihr kaum ins Gesicht sehen. Am liebsten hätte ich sie so lange geschüttelt, bis die Wahrheit aus ihrem vierschrötigen Leib gekullert wäre.
    »Das war ganz schön heftig«, sie atmete schwer, »stellenweise rutschig, dann das Gestein, sag mal, bist du da runter geflogen?«
    Fassungslos registrierte ich, wie perfekt sie ihre Show weiterspielte. Nichts konnte ich ihr anmerken. Aber sie mir auch nicht!
    »Ich leg mich mal in die Falle«, verkündete sie.
    »Ja, dann bis morgen«, sagte ich locker, als hätte ich ihre Wortwahl nicht bemerkt. Jetzt hatte sie ihre perfiden Absichten doch verraten mit diesem freudschen Versprecher.
    Flipper begrüßte mich abermals, als wäre ich lange weg gewesen. Ich zwang mich, noch eine Viertelstunde zu warten, ehe ich an der Rezeption einen jungen Mann aus dem Schlaf riss.
    »Ich muss sofort abreisen. Ich habe einen Anruf von meiner Familie erhalten. Es ist …«, ich brach ab und blickte ernst zu Boden.
    »Oh«, machte der junge Mann und wirkte ehrlich bekümmert.
    »Meine Rechnung wird ja von Frau Dr. Falk bezahlt.«
    »Moment«, bat er mich, klickte einige Male auf die Maus und nickte dann.
    Ich schob einen Zwanzigeuroschein, Trinkgeld für alle, über die Theke. »Können Sie Frau Dr. Falk bitte morgen früh ausrichten, dass ich dringend wegmusste?«
    »Selbstverständlich, Frau Fischer. Und fahren Sie vorsichtig! Es kann glatt sein am Pass.«
    In der Tiefgarage kontrollierte ich, ob Erika Falks Wagen noch an seinem Platz stand und notierte mir das Kennzeichen. Es gab drei Wagen mit Berliner Nummernschild, doch das war nichts Außergewöhnliches im Allgäu, ich entdeckte auch HH und H und F und N und DO , aber auch M wie Heimat.
    Die Passstraße begann gleich hinter dem Hotel und mit ihr der Nebel. Wie von den Nadelbäumen am Rand zerfetzte Brautschleier zogen die Schwaden über die Straße. Plötzlich zwei Scheinwerfer im Rückspiegel. Aufgeblendet. Kamen schnell näher. Viel zu schnell. Erika? Lena?
    Natürlich würde ich von mir behaupten, ich sei eine gute Autofahrerin, wer behauptet das nicht. Doch in der Stadt sicher von A nach B zu kommen, das war etwas anderes, als nachts bei Nebel und glitschiger Fahrbahn einen Pass hinabzubrettern. Es war mir klar, dass ich das Lenkrad nicht zu umkrampfen brauchte, dass das keine Auswirkungen auf die Haftungseigenschaften meiner Reifen hatte, doch es ging nicht anders. Die Scheinwerfer hinter mir hetzten mich bergab. Flipper war nicht angeschnallt. »Flipper, weiter vor!

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