Sonst kommt dich der Jäger holen
auch verraten. An wen? Keinen Schimmer einer Ahnung zu haben, machte mich verrückt.
»Wo liegt der Hund begraben?«, fragte ich Flipper. Lange schaute er mich an. Und da verstand ich. Ich bin überzeugt davon, dass Flipper mir seine Wünsche, Gedanken, Absichten einpflanzt, besonders, wenn ich schlafe. Ich glaube, im Schlaf sind die Hunde die Chefs. In Wirklichkeit treffen sie die Entscheidungen. Wir sind bloß Marionetten und führen das aus, was wir nachts infiltriert bekommen. Manchmal klappt es auch im Wachzustand … Endlich hatte ich begriffen. Wir mussten zurück auf null. Die Null war Laika. Und die Skorpion. Die Flipper gefunden hatte. Und hinter der Null stand Walli. Dort musste ich anfangen. Und bei den Hunden. Wo immer alles begann. Wer war zuerst da: der Mensch oder der Hund?
Was wusste ich von Walli? Sie aß gern Sushi, war ein Fan von David Garrett und ein Crack im Hundesport. Mit Andreas Smartphone klickte ich mich zu einigen Hundesportvereinen. Schon beim zweiten Anruf hatte ich Glück. Es war sogar ein Training angesetzt für den frühen Nachmittag, da könnte ich teilnehmen.
»Ich bin ab Mittag da«, lud mich eine freundliche Frauenstimme auf das Übungsgelände ein.
Vorher fuhr ich in den nördlichen Teil des Englischen Gartens, wo ich sonst nie Gassi gehe. Auf einer großen Wiese warf ich minutenlang Stöcke, die Flipper begeistert apportierte. Sobald Spaziergänger auftauchten, schlug ich mich in die Büsche. Als Flipper sich ausgetobt hatte, kaufte ich mir eine Packung Sushi, die ich auf der Fahrt zum Hundesportplatz in Seefeld mit tränenden Augen aß, weil ich nie genug von Wasabi kriegen kann. Der Hundeplatz lag auf halber Höhe am Berg, mit Blick über den Ort in der Senke und in der Ferne die Alpen. Auf den ersten Blick erinnerte mich die Ausstattung an einen Kinderspielplatz – mit all den bunten Hürden, Slalomstangen, Hütchen, Autoreifen, Wänden und einem langen roten Schlauch, der sich wie ein Stück Darm träge auf der Wiese ringelte. Jippi, Abenteuerspielplatz! Begeistert schaute Flipper von mir zu den Hindernissen und zurück. Ich war höflicher und konzentrierte mich auf die Frau, die uns begrüßte. Sie war Mitte zwanzig und eine echte Rothaarige, was man selten sieht – an den typischen Sommersprossen.
»Ich bin die Franza, die Bekannte von der Walli«, stellte ich mich vor. »Haben wir telefoniert?«
Mona nickte bedrückt. »Du weißt es gar nicht, gell?«
»Nein, was denn?«
»Die Walli lebt nicht mehr. Das wollte ich dir persönlich sagen.«
Ich schlug die Hand vor meinen Mund. »Nein!«
»Doch.«
Sie seufzte schwer, und dann erzählte sie mir die ganze Geschichte. Es fiel mir leicht, so zu tun, als hörte ich sie zum ersten Mal. Die Walli aus dem Hundesportverein war eine ganz andere als die Tochter von der Maria Brandl. Sie hätte meine Freundin sein können. Den David Garrett hätte ich ihr verziehen bei unseren vielen Gemeinsamkeiten. Eine Triathletin war sie, eigensinnig und selbstbewusst, und sie hatte Tiermedizin studiert. Vielleicht wäre ich auch mal mit ihr nach Griechenland geflogen, dort kümmerte sie sich ehrenamtlich um Straßenhunde.
»Und wo hast du sie kennengelernt?«, fragte Mona.
»Beim Gassi am Wilden Hund. Ich glaube, da wohnen ihre Eltern? Sie hat mir von ihrem Agilityverein erzählt. Hundesport hat mich schon immer interessiert.«
»Agility ist aber genau genommen kein Hundesport«, verbesserte Mona.
»Das hat mir die Walli auch erklärt«, behauptete ich. »Jedenfalls bin ich am nächsten Tag für ein Jahr nach Hamburg gezogen, jobmäßig. Tja, und jetzt bin ich wieder da. An die Walli hab ich oft gedacht. Da wollte ich sie und die Laika mal wiedersehen. Zwischen der Laika und dem Flipper war das praktisch Liebe auf den ersten Blick.«
»Es ist jetzt bald ein Jahr her«, sagte Mona mit leiser Stimme. »Das war ein Schock für uns alle. Ich meine, in so einem Alter stirbst du doch nicht. Und dann ist ja auch noch die Laika erschossen worden.«
»Was?« Mit offenem Mund starrte ich Mona an.
»Benny hat mir das erzählt. Der hat sich bis heute nicht erholt davon. Erst die Walli, dann die Laika – den Hund haben sie zusammen aus Griechenland geholt.«
»Ach, der Benny war ihr Freund?«
»Ja und nein. Das schwappte so hin und her. Sie war wohl seine Jugendliebe oder er ihre – und immer, wenn es einem mal nicht so gut ging, haben sie sich wieder zusammengerauft. Es war halt so, dass für die Walli immer erst der Hund gekommen ist,
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