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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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dabei?«
    »Könnte ich ja, wenn ich wollte. Aber nein danke. Und jetzt schreib mal lieber deinen Bericht. Der Chefbauer wartet nicht gern. Vergiss bloß nicht, den Namen der Auffinderin reinzuschreiben, hörst du!«
    »Steht schon drin. Bin fast fertig. Ich wünsch dir gute Besserung mit deinem Knie und einen schönen Urlaub. Und danke für die Ratschläge.«
    »Das ist kein Urlaub. Ich ziehe mit meinem Freund zusammen.«
    »Na, dann fängt dein Urlaub halt nach dem Urlaub an, wenn du wieder da bist«, sagte Johannes freundlich. »Weil bis dahin ganz bestimmt kein toter Jäger mehr auf deinem Tisch liegt. Dafür werde ich persönlich sorgen!«

12
    Wie im Urlaub fühlte ich mich im Speckgürtel Münchens, wo die Hügel in weichen Wellen wogten. Dies war ein rein privates Gassi auf dem Höhenweg mit Blick über die Seen. Ein Farbengenuss im Herbst, wenn das Laub allmählich zu rosten beginnt und der Wald im milden Licht glüht. Seit Jahren arbeitete ich an meinem Verhältnis zum Herbst, den ich gern gerngehabt hätte, doch viel zu oft stimmte er mich melancholisch. Aber wenn ich Flipper zuschaute, wie er galoppierte und buddelte und Stöcken hinterherfetzte, gelobte ich immer Besserung. Mein Hund mag jede Jahreszeit, weil er im Jetzt lebt. Wo war er überhaupt? »Flipper?«
    »Witziger Name für einen Hund!«
    O, wie peinlich. Schon wieder dieser Jogger. Ich wollte ihm keine Gelegenheit geben, mich auf mein Fehlverhalten hinzuweisen. Ich hatte nicht mal eine Leine dabei, zum Glück lief Flipper brav auf dem Weg. »Joggen Sie immer zu verschiedenen Tageszeiten?«, startete ich ein Ablenkungsmanöver. Dem Läufer fiel der Unsinn in meiner Frage nicht auf. Mir schon. Aber zu spät.
    »Ich hab mein Gwand in der Firma. Wenn es zeitlich passt, dann dreh ich meine Runde. Übrigens: Ihr Tipp von neulich. Ich habe mich erkundigt. Sie haben recht, Dehnung in dieser Position ist schlecht für die Halswirbel. Danke.«
    »Gern geschehen. Und Sie sind Jäger?«
    »Sieht man mir das an?«
    »Nein, aber wie Sie gesprochen haben – über die aufgeschlitzten Rehkitze.«
    »Ja. Das ist kein schöner Tod.«
    »Gibt es den denn? Einen schönen Tod?«
    »Freilich. Mit einem Blattschuss zum Beispiel. Der verletzt die Lunge oder das Herz und ist sofort tödlich.«
    »Aha«, sagte ich und sah die handschriftlichen Notizen des Kommissars vor mir. Lungendurchschuss. Hieß das beim Menschen auch Blattschuss?
    Sepp Friesenegger musterte mich auf eine Art und Weise, die mir verriet, dass ich ihm gefiel. Deshalb zeigte er sich wohl auch nachsichtig bezüglich Flipper. Wenn eine gewisse Anziehung im Spiel ist, schaltet der Verstand ab. Ich hatte das Thema in letzter Zeit leidenschaftlich studiert.
    »Jäger schützen das Wild. Und trotzdem haben wir einen Abschuss zu bringen. Der wird uns vorgeschrieben, das entscheiden wir nicht selbst. Wir geben viel Geld aus, um dieses Ziel zu erreichen. Unsere Waffen, die Munition und die hoch präzise Zieloptik sind kostspielig. Hightech vom Feinsten, wir bezahlen das aus eigener Tasche.«
    »Woher kommt dann der schlechte Ruf der Jäger?«
    »Erstens aus dem letzten Jahrtausend. Und zweitens gibt es bei uns wie überall schwarze Schafe, die glauben, sie könnten auf das Schießkino verzichten.«
    »Schießkino?«, wiederholte ich.
    »Auf einer Leinwand werden wie im Kino Filme abgespielt. Sie sehen beispielsweise Sauen durchs Bild laufen. Mit einer speziellen Feinschrotmunition können Sie auf die Sauen, also auf die Leinwand, schießen. Sie sehen genau, wo Sie getroffen haben, beziehungsweise wo nicht. Sie erkennen, was Sie falsch machen, und können Ihre Fehler korrigieren. Das ist eine naturadäquate Übungsmethode, da Sie auf bewegte Objekte schießen. Ich arbeite bei der Firma Puster«, stolz wies er nach rechts über den Hügel. »Unsere Kunden genießen den Service, die Waffen, die sie bei uns kaufen, gleich in unserem Haus einzuschießen. Selbstverständlich steht unsere Anlage auch Jägern offen.«
    Ich schaute wohl ein wenig begriffsstutzig drein, denn er fuhr fort: »Wenn Sie ein Auto kaufen, fahren Sie es ja auch erst mal Probe. Man will schließlich wissen, was man erwirbt. Das soll schon passen. Vom Gefühl her und überhaupt.«
    »Also wenn ich bei Ihnen eine Waffe kaufen würde, könnte ich die in Ihrem Schießkino einschießen?«
    »Einen Waffenschein sollten Sie freilich haben.«
    »Gibt es Frauenwaffen?«
    Sepp Friesenegger grinste. »Mehr als genug. Leuchtend blaue Augen zum

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