Sonst kommt dich der Jäger holen
wird. Magst was trinken? Apfelschorle ist da.«
»Ja gern. Schreibst du deine Überstunden auf?«
»Gelegentlich.« Felix öffnete einen Schrank hinter sich und nahm zwei Flaschen heraus. »Leider nicht kalt. Hab vergessen, Nachschub in den Kühlschrank zu stellen.«
»Danke.«
Johannes öffnete die Flasche und prostete Felix zu. Der zog sich einen Stuhl heran und legte seine Beine darauf.
»Fandest du den Besuch bei dem Direktor eigentlich ergiebig?«, erkundigte Johannes sich.
Felix kaute nachdenklich. »Besonders viele Auswahlmöglichkeiten haben wir nicht mehr, jetzt, wo die Verdeckten uns ausbremsen.«
»Hast du so was schon mal erlebt?«
»Einmal.«
»Und die sagen einem wirklich nicht, worum es geht? Auch dem Chefbauer nicht?«
»Manchmal kriegst du was mit. Aber immer nur einen Bruchteil. Den Überblick behalten die schön selbst. Sogar wenn es zu einem Zugriff kommt und sie uns anfordern, erfährst du erst unmittelbar vor dem Einsatz, worum es geht, also das Puzzlestückchen, das sie für dich aufdecken. Die haben halt Sorge, dass das sonst zu verstärkten Abschottungsmaßnahmen führen würde, so was kennen wir ja auch. Misstrauen erschwert unser Geschäft.«
Johannes nickte. »Aber ich würde schon gern ein bisschen mehr wissen, als wir wissen.« Ein Käsefaden schlang sich um seinen Handrücken. Er schleckte ihn weg, warf einen raschen Seitenblick zu Felix.
»O, tut so ’ne Pizza gut«, seufzte der behaglich. »Ich merke jetzt erst, wie hungrig ich bin.«
»Im Großen und Ganzen geht das schon in Ordnung mit den Verdeckten«, beschloss Johannes großzügig. »Die haben halt so ein elitäres Gehabe an den Tag gelegt.«
»Das passiert leicht, wenn du zu einer Spezialeinheit gehörst, die abgeschottet in priorisierten Fällen ermittelt und nicht Hinz und Kunz gegenüber Rechenschaft zu leisten hat.«
Johannes musterte Felix neugierig. »Das klingt so, als wäre das okay für dich?«
»Wenn ich darunter leiden würde, müsste ich mich beim LKA oder BKA bewerben. Aber dazu bin ich viel zu gern hier.«
»Ich auch. Und ich bin total froh, dass ich bei euch gelandet bin.«
»Übers Wochenende bleibst du trotzdem daheim, und am Montag reicht es mir, wenn du um zehn da bist.«
»Ich kann auch um acht kommen. Oder um sieben?«
»Nein, nein, schlaf dich aus.«
»Und du?«
»Ich brauch nicht so viel Schlaf. Ich bin ja nicht mehr in der Wachstumsphase.« Felix hob seine Flasche. »Prost. Nach dem Essen kannst heimgehen.« Er grinste. »Oder sonst wohin.«
»Und was machst du?«, fragte Johannes leicht errötend.
»Ich schau mir die Akten an.«
»Nimmst du die mit nach Hause?«
»Nein. Du weißt doch, dass so was gegen die Dienstvorschrift ist.«
»Ja klar, aber es ist schon spät, und ich hab mal gehört, das wird durchaus gemacht.«
»Nicht bei uns«, sagte Felix ernst. »Gewöhn dir das auf keinen Fall an, hörst du!«
Zwei Stunden später saßen sie noch immer über den Akten. Johannes hatte sie zum großen Teil an den vergangenen Tagen gelesen, doch nun merkte er, dass er einiges übersehen hatte. Zweiundzwanzig Protokolle von zweiundzwanzig Jägern. Felix hatte erklärt, dass sich vieles erst durch mehrmaliges Lesen erschließe. Doch so sehr Johannes sich auch bemühte, seinen Blick zu verändern, der Einschusswinkel blieb derselbe.
Das Opfer, Gerd Jensen, war sechsundfünfzig Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern, Sohn und Tochter, die in Marburg und Dresden studierten. Seine Frau arbeitete halbtags als Apothekerin in Kiel. Gerd Jensen hatte keine Vorstrafen, keine Schulden, nicht mal Punkte in Flensburg und hatte in Drößling in möblierten zwei Zimmern gewohnt. »Ein sehr angenehmer Mieter«, hatte seine Vermieterin ausgesagt, »und am Wochenende meistens weg.«
Johannes schluckte. »Felix«, sagte er.
»Hm.«
»Der ist am Wochenende oft weg gewesen. Wo ist weg?«
»Ja, das ist mir auch aufgefallen. Kiel. Da war er halt daheim. Ist da auch geboren. Er und seine Frau bewohnen ein Eigenheim. Ich habe Fotos gesehen. Hübsche Hütte. Familie und Freundeskreis sind auch dort oben; Jensen war im Schützenverein und beim Vogelschutzbund, außerdem hat er eine Initiative gegründet für Naturlehrpfade. Also ich glaube nicht, dass der hier glücklich war.«
Johannes nickte. »Wie auch, da oben schaut es doch ganz anders aus als wie bei uns, da ist alles flach, und wenn du noch dazu viel draußen bist, dann erinnert dich das doch ständig dran, dass du viel zu
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