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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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wann in die Firmen eingetreten ist und wem in den letzten zwölf Monaten gekündigt wurde.«
    Felix stand auf, ging zum Fenster, schaute hinaus und stellte dann fest: »Die Liste kriegen wir heute noch. Das dürfte ja wohl kein Problem sein, wo hier bis auf die Sekretärinnen alle so gern Überstunden machen.«

16
    Mein italienischer Freund, der Föhn, blies lässig warme Luft von den Alpen her. Über München wellte sich ein blaues Himmelmeer. Der Fernsehturm, der weit weg im Münchner Norden aufsticht, stand zum Fensterputzen nah und fast auf einer Höhe mit den Türmen an der Reichenbachbrücke und dem schwarzen Hut der alten Sendlinger Pfarrkirche. Es kam sehr selten vor, dass ich keine Lust zum Training hatte. Auf dem Weg zum Sportstudio begegneten mir viele Leute in Freitagsfeierabendlaune. Das Wochenende stand vor der Tür – für mich gab es so was nicht. Meine Kurse liefen auch am Wochenende.
    Vier Stunden später, ich hatte Body Combat im Studio Sportive beendet, fragte mich Florentine, die neue Geschäftsführerin des Studios, ob ich kurz Zeit hätte. Eine Formulierung, die bei mir die Alarmsirenen schrillen ließ.
    »Klar«, erwiderte ich locker. Die Art, wie Flipper sich neben mich setzte, verriet mir, noch bevor Florentine begann, worum es sich drehte. »Franza, wir sind ein Dienstleistungsunternehmen. Wir möchten unsere Kunden dort abholen, wo sie stehen.«
    »Prima. Das machen wir doch auch«, bestätigte ich.
    »Wir«, sagte sie in einem Ton, der mir zeigte, dass es ein Wir gab, zu dem ich keine Zugangsberechtigung hatte, »finden es wichtig, dass sich unsere Mitarbeiter fortbilden.«
    »Allein im letzten Jahr habe ich drei Scheine gemacht.«
    »Wir denken dabei nicht an solche Trainerinnenscheine.«
    »Sondern?«
    »Kommunikation, Motivation, Coaching, Leading. Was hältst du davon«, fragte Florentine, »mal so einen Kurs zu belegen?«
    »Finde ich prima, dass ihr eurem Personal das finanziert«, lobte ich begeisterter, als ich es war.
    Florentine versuchte, mich mütterlich anzulächeln, was schiefgehen musste, sie war mit fünfunddreißig gerade mal zwei Jahre älter als ich. »Die Erfahrung zeigt«, erklärte sie mir, »dass man eine solche Weiterbildungsmaßnahme aus eigener Tasche bezahlen sollte. Das ist psychologisch erwiesen. Nur dann rentiert sie sich.«
    »Ach so«, sagte ich und dachte: für euch.
    »Du musst das als Beitrag zu deiner Persönlichkeitsentwicklung verstehen. Davon profitierst du nicht nur beruflich. Es wird dein Leben verändern. Auch privat, weißt du.«
    »Ich finde mein Leben eigentlich recht schön«, widersprach ich.
    »Das sagst du nur, weil du nicht weißt, wie es sein könnte «, behauptete sie. Offenbar hatte sie das Seminar bereits besucht.
    »Glaubst du, du schaffst das innerhalb des nächsten Jahres? Wir würden gern offensiv damit werben, dass alle unsere Trainer nicht nur fit in Fragen rund um den Körper sind, sondern auch, was die Physis, äh, Psyche, betrifft. Das Mentale eben. Wir arbeiten gerade an einem Konzept. Move your Motivation oder so ähnlich.«
    »Klingt prima oder so ähnlich«, gab ich mir immerhin Mühe.
    Auf dem Weg nach draußen wedelte Flipper nur noch das Nötigste weg. »Keine Sorge«, tröstete ich ihn. »Verhungern werden wir bestimmt nicht! Aber blöd wäre das schon, wenn uns gleich zwei Studios wegbrechen würden. Wir bräuchten mehr Privatkunden, Flipper. Das wäre auch viel angenehmer, und wir würden locker das Doppelte verdienen.«
    Freundlich hechelte er mich an. Eine dicke Japanerin, ich kannte bislang nur dünne, fragte mich: »Guter Freund, Hund?«
    »Der beste«, sagte ich.
    »Besser als Mann?«, wollte sie wissen.
    Ich nickte, und sie reckte den Daumen. »Ich Katze. Auch besser als Mann.«

17
    Um diese Uhrzeit, noch dazu an einem Freitag, an dem kein neuer Mord geschehen, beziehungsweise ein eventuell geschehener Mord noch nicht aktenkundig war, befanden sich kaum Kollegen im Büro, und auf ihrem Stockwerk brannte kein zweites Licht. Felix schob einen der beiden Pizzakartons über den Tisch zu Johannes. Der ließ sich Zeit mit dem Öffnen und beobachtete, ob Felix Messer und Gabel benutzen oder die bereits geschnittenen Stücke mit der Hand essen würde.
    »Wie geht das eigentlich bei euch, schreib ich jetzt meine Überstunden auf? Es ist ja schon gleich zehn«, stellte Johannes fest, bevor er sein Pizzadreieck in die Hand nahm und herzhaft zubiss.
    »Da musst du mal mit dem Chefbauer reden, wie das bei dir gehandhabt

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