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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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– die beiden drehten sich kein einziges Mal um. Als sie am Stachus die Rolltreppen zur U- und S-Bahn nahmen, hatte ich keine Lust mehr. Albernes Spiel. Aber vielleicht war es doch wichtig, wie dieser Hausmeister, von dem Felix gesprochen hatte. Ich konnte es ja mal erwähnen.
    »Herr Kommissar?«
    »Frau Fischer?«
    »Ich bin gerade in der Fußgängerzone, zufällig. Vor mir läuft die Frau, die du mir gezeigt hast.«
    »Welche Frau?«
    »Die von dem Opfer.«
    »Franza!«
    »Ja, also ich wollte nur sagen, dass sie nicht allein ist.«
    »Wie bitte?«
    »Sie ist mit einem Mann unterwegs. Sie geht bei ihm untergehakt durch die Fußgängerzone. Sie gehen so, als wären sie sehr vertraut miteinander. Sie scheinen sich gut zu kennen. Ist das nicht ungewöhnlich für eine frische Witwe?«
    »Der Mann ist ihr Schwager. Was dir wurscht sein kann. Und weiß du, was ich überhaupt nicht ausstehen kann?«
    Ich schwieg.
    »Leute, die genau wissen, wie sich andere in einem Trauerfall zu verhalten haben. Leute, die genau wissen, wie es auszuschauen hat, wenn jemand mit einem Verlust klarkommen muss. Die hab ich gefressen, solche Leute. Servus, Franza.«

24
    Noch am nächsten Tag litt ich unter Felix’ berechtigter Ohrfeige. Am liebsten hätte ich mich im Bett verkrochen. Doch da stellte Flipper seine Ohren natürlich auf Durchzug. Hast du einen Hund, hast du Gassi. Nach unserer Morgenrunde und Yoga am Ostbahnhof fuhr ich wie jeden Dienstag zu Dr. Anton Dürr, einem meiner drei Privatkunden, mit dem ich im Grünwalder Forst den Trimm-dich-Pfad absolvierte. Als ich Anton Dürr kennenlernte, wog er hundertvierzig Kilo. Ohne Flipper hätte ich diesen gewichtigen Privatkunden schnell vergrault. Ich fand seine wuchernde Leiblichkeit schlichtweg unappetitlich, zumal Anton Dürr keine Notwendigkeit sah, abzunehmen. Sein Vater hatte ihm angedroht, seinen Teil der renommierten Kanzlei zu verkaufen, sollte sich das Erscheinungsbild seines Filius nicht dem Profil der Sozietät angleichen. Ihn dazu zu motivieren, fehlte mir die Motivation, denn jahrelang hatte Anton Dürr das Vorurteil gezüchtet, Menschen, die Sport treiben, wären geistig träge. Er bemühte sich nicht, das vor mir zu verbergen. Ich kämpfte mit dem Vorurteil, fette Leute wären undiszipliniert und willensschwach. Das Gegenteil ist der Fall. Die meisten Dicken haben eine Diät nach der anderen durchgehalten, und gäbe es Jojo nicht, hätte es auch mal geklappt.
    Zum Glück übernahm Flipper schon bei unserem ersten Treffen mit Dr. Dürr das Kommando. Sonst hätte es im Übrigen auch kein zweites gegeben. Er setzte sich vor den Anwalt und schaute ihn todunglücklich an.
    »Kann es sein, dass das Tier Bewegung braucht?«, fragte Dr. Dürr mich.
    Wir fingen langsam an, mit Nordic Walking, bei dem Flipper schon nach wenigen Metern die Zunge raushängen ließ, sodass Anton Dürr nicht aus der Puste kam. Normalerweise hasst Flipper die Stöcke, die man nicht apportieren darf. Bei Dr. Dürr waren sie akzeptiert. Am erstaunlichsten fand ich, dass Flipper den Puls des Anwalts abzuhören schien: Kurz bevor seine Pulsuhr die Maximalgrenze angezeigt hätte, drosselte Flipper als unser Schrittmacher das Tempo.
    Mittlerweile wog Anton unter hundert. Für jedes verlorene Kilo hatten Flipper oder ich ein kleines oder sogar größeres Präsent erhalten; zu Weihnachten ein Designer-Deluxe-Hundebett im Wert von knapp fünfhundert Euro. Ich hätte das nicht angenommen, aber bei Flipper kannte ich keine Skrupel.
    Wir liefen zehn Minuten in lockerem Tempo und absolvierten die Übungen an den Stationen. Das hätte Anton natürlich auch allein machen können, aber ob er es allein gemacht hätte? »Sag mal«, fragte ich ihn zwischen Armkreisen und Rumpfbeugen, »darf man eigentlich ein Tier in seinem Garten begraben?«
    Erschrocken schaute Anton zu Flipper.
    »Er ist kerngesund«, beruhigte ich ihn.
    »Soviel ich weiß, ist das nur bei kleinen Tieren möglich, und es ist natürlich genehmigungspflichtig. Das wird je nach Landkreis unterschiedlich gehandhabt, und selbstverständlich sollte die Bestattung nicht in einem Wasserschutzgebiet erfolgen.«
    »Klar«, sagte ich mit enger Kehle. »Flipper ist viel zu groß zum Sterben, weißt du.«
    »Das will ich wohl meinen!«, bekräftigte Anton. »Darf ich euch nach der Runde zu einem Eiweißdrink einladen?«
    »Danke, Anton, nächste Woche gern. Wir haben noch einen Termin im Schießkino.« Ich gab das Startsignal zum Endspurt.
    Die Waffenschmiede

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