Sonst kommt dich der Jäger holen
Eisbären, ein Bison, einen Braunbären, mehrere Hirschen und ein Wildschwein. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, die Bären zu streicheln. Im Schießkino liefen nun Löwen und Elefanten über die Leinwand, es knallte und stank wie streng riechende Räucherstäbchen. Den Kommentaren entnahm ich, dass sich hier eine Reisegruppe auf eine bevorstehende Safari einschoss.
Auch an dem Tisch hinter mir ging es lebhaft zu. Als der Name Brandl fiel, spitzte ich die Ohren, während ich nach einem der auf dem Tisch ausliegenden Prospekte griff und mir den Anschein versunkenen Lesens gab – und die Diskussion wie ein Hörspiel verfolgte.
Frauenstimme: Wir müssen zusammenhalten. Die wollen bloß einen Keil zwischen uns treiben.
Männerstimme: Ich finde das auch richtig, dass der Franz nichts sagt. Das ist seine Privatangelegenheit und seine Privatmeinung.
Männerstimme: Aber es wird rauskommen. Früher oder später. Das wissen viel zu viele. Er hat ja nicht hinterm Berg damit gehalten. Er hat es jedem erzählt.
Frauenstimme: Ich bewundere ihn für seinen Mut. Er ist nicht so wie die meisten von uns. Er hat von Anfang an immer gesagt, was ihm nicht passt. Er ist keiner, der sich wegduckt. Von wegen dicke Hosn und dann Schwanz einziehen.
Männerstimme: Was hat ihm das jetzt gebracht? Im Visier der Kripo steht er. Und geholfen hat er keinem damit.
Frauenstimme: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das ist eine Verkettung tragischer Umstände. Wenn wir jetzt die Pferde scheu machen, wird alles nur noch schlimmer.
Frauenstimme: Dann glauben die gleich, sie wissen jetzt was.
Männerstimme: Das stimmt schon. Man macht sich ja von außen gar kein Bild. Da sieht alles schnell ganz anders aus.
Männerstimme: Wenn hier jemand was anzeigen sollte, dann ist das die Geschäftsleitung. Die waren dabei.
Männerstimme: Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an.
Frauenstimme: Die Polizei war schon zweimal beim Direktor Happach.
Männerstimme: Und?
Frauenstimme: Ich weiß nichts. Ich war auf Fortbildung. Aber es wird wohl nichts Wichtiges gewesen sein, sonst wären sie ja schon längst bei der Alice gewesen, und es hätte mal jemand nach der Laika gefragt. Hat euch jemand nach der Laika gefragt?
Männerstimme: Keiner.
Männerstimme: Niemand.
Frauenstimme: Mich auch nicht.
Mehrere Stimmen gleichzeitig: Sepp!
»Hallo miteinander«, grüßte Sepp Friesenegger die Runde. »Ich hab Besuch.«
Männerstimme: »Da schau her!«
Männerstimme: »Sauber sog i.«
Frauenstimme: »Weiß des die Lisa?«
Ich drehte mich zum Nebentisch und lächelte in die Runde, als würde ich sie jetzt erst bemerken. Konzentriert scannte ich sie ein und hatte dann keine Kapazitäten mehr frei für Flirtpingpong mit dem Sepp. Nur eines brannte mir auf der Seele: »Ist die Laika der erschossene Hund, von dem Sie mir bei unserer Begegnung im Wald erzählt haben? Wer hat sie eigentlich erschossen? Kennen Sie den Täter?«
Sepp Friesenegger wurde blass.
25
»Aber sagen Sie mir doch bitte, Frau Brandl«, fragte ich, als sie mir ein zweites Stück Zwetschgendatschi auf den Teller legte und nachdem ich ein Fotoalbum mit Bildern von der Walli angeschaut hatte und auch das Autogramm von David Garrett, wo für Walli, love David draufstand, »wer hat die Laika erschossen?«
»Essen sie erst amal was. Die Walli hat immer zwei Stückl Kuchen packt.«
Ich legte mir eine Hand auf den Bauch. »Ich kann nimma. Da ist schon ein Obstsalat drin.«
»Grüß Gott!« Der Mann musste sich angeschlichen haben. Weder ich, das war entschuldbar, noch Flipper hatten ihn kommen gehört. Das würde ich meinem Wachhund später genüsslich unter die Nase reiben.
»Franz!«, rief Maria.
Ein wedelndes Etwas wuselte um unsere Beine, steckte eine zweite Wedelmaschine an, und Flipper und ein bayerischer Gebirgsschweißhund jagten durch den Garten.
»Des is der Hallodri«, stellte der Mann seinen Hund vor.
»Des is mei Mann«, stellte Frau Brandl ihren Gatten vor.
»Des is der Flipper«, stellte ich meinen Hund vor.
»Des is des Frauli vom Flipper«, stellte Frau Brandl mich vor.
»Des hab ich mir schon denkt«, sagte ihr Mann und nickte mir freundlich zu. Er war Ende fünfzig, mittelgroß und drahtig und hatte ein sympathisches, offenes Gesicht mit warmen braunen Augen. Er passte gut zu seiner Frau. Irgendetwas in den Gesichtern des Paares hatte sich angeglichen. Sie sahen einander ähnlich, ohne dass ich hätte sagen können, woran das lag. Ich hab niemand, mit dem
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