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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Puster war in einem mehrstöckigen Bürogebäude untergebracht, wenn auch in ausnehmend schöner Gegend in Sichtweite des Andechser Hügels. Von den Fenstern aus hatte man einen herrlichen Ausblick auf den allmählich ins Rötliche hineinherbstelnden Wald. Am Parkplatz wies ein blaues Schild den Weg zum Schießkino. Die Glastür am Haupteingang des Gebäudes war verschlossen.
    »Ja, bitte?«, fragte eine Stimme aus einem Lautsprecher.
    Ich schaute in die Kamera über mir. »Ich möchte zum Herrn Friesenegger.«
    »Und Ihr Name?«
    »Fischer.«
    Kurz darauf erschien eine blonde Frau mit zwei ausnehmend hässlichen Ohrringen in Pistolenform am Eingang und öffnete mir die Tür. Und da war auch schon Sepp Friesenegger.
    »Sakradi, meine Jogginglehrerin!«
    »Ach, eine Jogginglehrerin?«, mäkelte die Blondine spitz. »Du brauchst wohl bei allem Hilfe?« Ihre Pistolen zuckten nervös.
    »Ma muas ned ois glaum, wos stimmt, Sally«, gab Sepp Friesenegger charmant zurück.
    Sally verdrehte die Augen und scharwenzelte in ihr Glashaus am Eingang.
    »Hätte ich nicht kommen sollen?«, fragte ich.
    »Aber ich bitt Sie. Eine schöne Frau am Kommen hindern, wär ein Verbrechen!«
    »Ich habe Ihre Einladung einfach wörtlich genommen«, ignorierte ich seine Anspielung.
    »So war sie auch gemeint. Wo ist denn der Hund?«
    »Im Auto.«
    »Das hätte ich auch vorgeschlagen. Es ist a bisserl laut im Schießkino, und für einen Hund haben wir bestimmt keinen passenden Ohrenschutz.«
    Wie bestellt, hörte ich es knallen.
    »Leider haben Sie sich einen schlechten Moment ausgesucht«, bedauerte Sepp Friesenegger und bedeutete mir, ihm zu folgen. »Heut sind wir ausgebucht. Ich glaub nicht, dass es mit Selberschießen im Schießkino klappt. Großwildjäger haben sich angesagt. Aber Zuschauen geht natürlich immer«, er blickte mir tief in die Augen, »schaun Sie gern zu?«
    »Das wäre prima, wo ich schon mal da bin«, ließ ich ihn auflaufen und durchquerte das geräumige Foyer, an dessen Ende sich eine Cafeteria und rechts davon der Eingang zum Schießkino befand. Es war mit einer Glaswand von der Gastronomie abgetrennt. Hier konnte man beim Kaffeetrinken beobachten, wie Wildschweine auf der Leinwand über eine Lichtung flitzten, es knallte – und dann fielen sie um.
    »Das ist der Wildschweinfilm«, erläuterte Sepp Friesenegger überflüssigerweise. »Den haben wir neu. Ich finde das mit dem Umfallen kontraproduktiv. Klar, es kickt einen, aber man muss später trotzdem genau analysieren, wohin der Schuss gegangen wäre, denn draußen fällt dir keine Sau um, wenn du nicht final triffst.«
    Ich stellte mich mit dem Gesicht an die Glasscheibe, schirmte die Augen mit beiden Händen ab und beobachtete, wie ein untersetzter Mann in blau kariertem Hemd fünfmal hintereinander auf die Leinwand ballerte. Fünfmal Mündungsfeuer vor dem Gewehr. Fünfmal ein Schlag nach hinten. Der Rückstoß.
    »Basküle in edlem schwarzem Finish«, flüsterte mir Sepp Friesenegger ins Ohr. »Hinterschaft mit bayerischer Backe und Doppelfalz.«
    Ich schnalzte mit der Zunge.
    »Sicherer Anschlag auch bei Nässe«, balzte er weiter. »Wenn gewünscht mit Kickstop und Gummischaftkappen, Synthetik-Lochschaft, griffsichere Elastomer-Einlagen, sehr gute Rückstoßdämpfung bei hervorragenden Gleiteigenschaften.«
    Jetzt wurde es mir zu scharf.
    »Das klingt teuer«, bremste ich ihn.
    »Die Büchsen?«
    Ich nickte.
    »Es kann sehr steil nach oben gehen.«
    »Und das Schießen?«
    »Einhundertzwanzig die Stunde. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen den Hundertmeterschießstand. Der ist frei, und da sind wir unter uns.«
    »Und was machen wir da, unter uns?«
    »Also ich bin diesbezüglich ganz offen«, prahlte er.
    »Patronenlager und Lauf sind kalt gehämmert«, ließ ich ihn abprallen mit Hardfacts, die ich zuvor im Vorübergehen auf einem Plakat gelesen hatte.
    Sepp Friesenegger stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Heißes Geschoss!«
    »Die Waffe ist entsichert«, stellte ich klar. »Sie sollten etwas vorsichtiger sein.«
    Er kniff die Augen zusammen. Ich konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, während er versuchte, mich einzuschätzen.
    Ich folgte ihm durch einen Flur und über eine Treppe ins Kellergeschoss. Er sperrte eine Stahltür auf, und ich schaute in ein Rohr, Schussrohr, ein sehr langer Gang. Hundert Meter, kombinierte ich.
    »Zuerst suchen Sie sich eine Waffe aus.«
    Ratlos schweifte mein Blick zwischen einem Dutzend Gewehren hin

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