Sonst kommt dich der Jäger holen
Abweichendes Verhalten nennen wir das beim Protokollschreiben.«
»Als ob ich sonst zum Lachen in den Keller gehen würde! Weiter«, befahl Leopold Chefbauer und knickte einen Pfeifenreiniger.
»Bert krempelt die Firma um. Es gab wohl einige Entlassungen nach der Fusion, das checken wir gerade. Simon und Peter sind mit Befragungen beschäftigt. Johannes war jetzt oft mit mir unterwegs. Er überprüft im Moment die Finanzen des Opfers, sein Haus ist noch nicht abbezahlt. Fred trägt das Kleinzeug zusammen und recherchiert in der Vorgangsverwaltung. Dabei ist eine vielleicht interessante Geschichte ans Licht gekommen. Vor drei Jahren hat es in Kiel einen Überfall auf die Firma von Gerd Jensen gegeben. Nur Jensen war im Gebäude. Der Sicherheitsdienst hat geschlampt. Wir überprüfen das. Es ist unklar, wie die reingekommen sind. Jensen hat eine Platzwunde davongetragen, die Akten müssten morgen bei uns sein. Keine Festnahme.«
Chefbauer stopfte seine Pfeife. »Hast du den Bericht von der Laura gelesen? Diese Jäger! Zweiundzwanzig verschiedene Verschwörungstheorien – eine absurder als die andere! Als hätte man in ein Wespennest gestochen. Ich habe geglaubt, Jäger reden nicht viel. Dass die auf ihren Hochsitzen hocken und still beobachten. Von wegen! Die haben zu viel Zeit im Wald, sich Geschichten auszudenken.«
»Siehst du, Chefbauer, und da ist mir der Brandl lieber. Der sagt nichts, und das, was er nicht sagt, meint er auch so. Ich fahr noch mal zu ihm. Jetzt gleich.«
»Ich hoffe, wir können bald zu einem Abschluss kommen.«
»Ist dir das schon mal aufgefallen, Chefbauer, im Abschluss ist der Abschuss drin?«
29
»Der Jensen war’s, gell?«, fragte Felix. »Der Jensen hat die Laika erschossen.«
Franz Brandl schaute an Felix vorbei aus dem Fenster in seinem Büro in der Waffenschmiede Puster. Von hier hatte er einen atemberaubenden Blick über einen herbstlich leuchtenden Wald, der rötlich schimmernd im Dunst lag.
»Ich weiß, wie das ist, wenn einem ein Hund stirbt«, sagte Felix.
»Irgendwann stirbt ein jeder Hund. Das liegt in der Natur der Sache.«
»Ja, es ist traurig, dass sie uns nicht ein Leben lang begleiten können, aber ein ermordeter Hund liegt nicht in der Natur der Sache«, widersprach Felix.
»Ein ermordeter Hund. Da schau her. So was traut sich der Kommissar in den Mund nehmen. Was sagen denn Ihre Vorgesetzten dazu? Wie wär denn das, wenn ich jetzt zu Ihnen kommen würde und anzeigen wollte, dass mir einer meinen Hund ermordet hat?«
»Ich bin nicht bloß ein Kommissar, ich bin auch ein Privatmensch. Und selbst wenn ich den Mord am Tier nicht mit denselben Mitteln und derselben Personaldichte wie den Mord am Menschen verfolgen kann, ungestraft kommt bei uns keiner weg, der Tiere quält oder tötet.«
»Ja, ja, Gerede.«
»Nein, kein Gerede. Bis zu drei Jahre Haft.«
»Ach, geh! Kennen Sie vielleicht einen, der wo ins Gefängnis gekommen wär wegen einem Viech? Die meisten kriegen eine Geldstrafe, wenn überhaupt, wenn überhaupt.«
Sie schwiegen eine Weile und schauten über die Wipfel.
»Als junger Mann wollte ich zur Hundestaffel«, begann Felix unvermittelt. »Gleichzeitig wollte ich auch zur Mordkommission. Mit meinem Opa – ich war fast jedes Wochenende bei meinen Großeltern – habe ich verbotenerweise den Freitagskrimi angeschaut. Die Kommissare fand ich nicht so toll, aber das Blaulicht unterm Sitz hat mir schon imponiert. Manche Fälle spielten in Starnberg, da hat mein Opa gewohnt, und das war die Bestätigung, dass die Großkopferten alle Dreck am Stecken haben.«
»Da sag ich nix dagegen«, warf Franz Brandl ein, der Felix aufmerksam zugehört hatte.
»Ich bin nicht zur Hundestaffel gegangen. Aber ich hab mich immer gefreut, wenn wir mit ihnen zusammengearbeitet haben, das kommt hin und wieder vor, zum Beispiel wenn wir einen Flüchtigen verfolgen … Der Mann hatte seine Freundin im Wald – ich muss es so sagen: hingerichtet. Vorher hat er sie grausam zu Tode gequält. Ich will Ihnen die Details ersparen und mir auch, weil ich bis heute noch manchmal daran denken muss. In unmittelbarer Nähe des Tatorts wohnte ein Kollege der Hundestaffel. Er war seit einem Jahr in Pension, mit seinem Hund, wie das so üblich ist. Die Hunde bleiben für gewöhnlich bei ihren Hundeführern und beziehen vom Staat eine kleine Pension für ihr Futter.«
Franz Brandl nickte, wohl um zu zeigen, dass ihm das bekannt war.
»Der Carlo war acht damals, ein prächtiger Bursche,
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