Sonst kommt dich der Jäger holen
die Einladung.« Meine Stimme klang belegt. Ich schob ein »Ich komme gern« nach.
Die kleine Sinah hatte ich erst dreimal gesehen. Ein liebes und sehr hübsches Mädchen mit blonden Haaren und tiefseeblauen Felix-Tixel-Augen. Ich stahl ihr die kostbare Zeit mit ihrem Papa. Die war ohnehin so traurig, auch wenn sich beide große Mühe gaben, fröhlich zu sein. Über ihnen schwebte stets die Wolke der bevorstehenden Trennung. Sinah hatte nur Augen für Felix und ein bisschen für Flipper. Sie erinnerte mich schmerzlich an etwas, was ich mir mein Leben lang gewünscht hatte. Einen Papa, der mich hoch in die Luft warf und wieder auffing. Einen Papa mit großen festen, immer warmen Händen, der mit mir Quatsch machte und mich auf seinen Schultern trug. Einen Papa, der mir Schwimmen beibrachte und mir die Welt erklärte und der immer für mich da war. Fehler. Diesen Papa hatte Sinah nicht. Alle zwei Wochen am Samstag oder Sonntag, manchmal unter der Woche, aber schwierig auszuhandeln und oft in letzter Minute abgesagt. Da musste ich doch nicht auch noch dazu? Ich sollte die beiden allein miteinander lassen.
»Sinah liegt zum Betthupferl um sieben im Bett und schläft meistens gleich ein. Kommst du kurz nach sieben? Ich lass die Tür angelehnt, dann brauchst du nicht klingeln.«
»Um sieben ist mein Unterricht erst aus.«
»Wie es dir passt, Franza. Ich bin da.« Er machte eine kleine Pause. » Ich lauf nicht weg.«
»Soll ich was mitbringen?«, fragte ich. Meine Stimme klang rau.
»Dich. Jetzt muss ich noch ein bisschen schlafen, Franza, bevor ich die Sinah abhole. Ich war die ganze Nacht wach.«
»Träum schön«, sagte ich und hätte zu gern gewusst, was er gemacht hatte, die ganze Nacht lang wach.
37
Als Felix und Johannes am Freitagabend das große Besprechungszimmer betreten hatten, waren die meisten Stühle besetzt gewesen, und der Erste Kriminalhauptkommissar Leopold Chefbauer hatte eben begonnen, die Lage zu erörtern. Er musste noch einmal neu beginnen, weil Staatsanwalt Fetsch aus München und Tom Stiefel erschienen, Letzterer stellte sich der Runde nicht vor.
Doris Rose-Meyer hatte ihren Mann Herbert Rose-Meyer im Kreuzlinger Forst, wo Freunde von ihnen eine Jagd gepachtet hatten, erschossen. Sowohl das Ehepaar Rose-Meyer als auch die Freunde hatten zu der Puster-Jagdgesellschaft gehört, bei der Gerd Jensen zu Tode gekommen war. Doris Rose-Meyer hatte vom Hochsitz aus auf ihren Mann angelegt, der bereits auf dem Weg zum Auto war. Dann hatte sie die Polizei angerufen, die sie mit den Worten »ich hab die Sau erledigt« über ihre Tat informiert hatte. Mehr war aus ihr nicht herauszubekommen. Frau Rose-Meyer ließ sich widerstandslos festnehmen. Ihr Mann war laut Aussage des Arztes bereits tot, als sein Körper am Boden aufschlug. Die Täterin machte keine Angaben zur Tat, nur zur ihrer Person und sobald ihr Familienstand – verheiratet – genannt wurde, lachte sie hysterisch auf. Das befreundete Ehepaar machte dafür umso mehr Angaben zur Tat, an der die Polizei mit ihrem Herumgestochere in der Vergangenheit schuld sei.
»Und hamma auch was Konkretes?«, wollte Felix wissen. »Wie wird der Fall jetzt behandelt? Gehört der zu uns, oder wollen den die Kollegen vom BKA «, er warf Tom Stiefel einen Blick zu, »auch noch übernehmen?«
»Ja, wie wär’s, macht’s doch mal eine neue Abteilung auf, die OKJ , Organisierte Kriminalität unter Jägern«, scherzte Leopold Chefbauer, womit er Tom Stiefel nicht amüsierte. Der hob die Hand und sagte in herablassendem Ton: »Kein Interesse, danke. Sie können das dienststellenintern regeln. Wir sind lediglich an dem Fall in Andechs interessiert. In dieser Sache ermitteln Sie weiter wie besprochen. Alles läuft über uns.« Tom Stiefel verabschiedete sich mit einem Nicken in die Runde.
»Eigentlich ist der Fall klar«, sagte Laura Lichtenstern.
»Na ja«, widersprach Felix. »Die Kollegen haben ein Geständnis der Täterin Rose-Meyer, aber keiner weiß, ob es eine Verbindung zwischen Gerd Jensen und der Täterin oder ihrem Motiv gibt. Angenommen sie hatte ein Verhältnis mit ihm …«
»Wieso sie?«, grinste Bert. »Wenn, dann er. Sie hat ihn erschossen, nicht er sie. Das wär doch völlig daneben, wenn sie ihren Mann erschießt, weil sie ein Verhältnis mit einem Toten hat!«
»Außer …«, Felix machte eine kleine Denkpause. Alle Augen richteten sich auf ihn. »Sie hatte ein Verhältnis mit Gerd Jensen, wovon ihr Mann wusste, weshalb er ihn erschossen
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