Sonst kommt dich der Jäger holen
Krankenhaus, da hat er das auch übernommen. Ein prächtiges Tomatenjahr ist das heuer. Schon schade, dass ich jetzt nicht mehr abernten kann. Aber im Dienst der Sache muss man die persönlichen Belange in den Hintergrund stellen.«
»Welche Sache?«, fragte Felix.
»Sie sind mir auch so ein Büroheini. Ich würde jetzt gern mal mit einem richtigen Kommissar sprechen. Ist Ihr Vorgesetzter da? Oder ist das auch so ein Weichei? Gibt es bei der Polizei keine echten Männer mehr?«
Laura schüttelte den Kopf als Felix das Zimmer verließ. Sie hatte von draußen alles mitgehört. »Er hat gestanden – jetzt brauchen wir einen Haftbefehl.«
»Übernimmst du das?«, fragte Felix.
»Ich rufe gleich den Staatsanwalt an.«
»Das stimmt doch nicht, was der erzählt«, dachte Felix laut.
»Unangenehmer Mensch.« Laura schüttelte sich. »Es ist wohl eine Frage der Ehre für ihn. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der mit seinen Krücken auf einen Baum geklettert sein will. Der lügt, das denke ich auch.«
»Überprüf mal, ob er die Krücken immer hat«, warf Felix ein. »Vielleicht ist es was Akutes, und vor zwei Wochen war er noch ohne unterwegs.«
»Mach ich. Ach übrigens, jetzt haben wir endlich die Kindergärtnerin vom Waldkindergarten erwischt, die als Rucksacktouristin in Thailand war. Es stimmt, was die Kinder sagen, sie sind da öfter rumgeklettert, natürlich gesichert. Wir machen einen Termin aus, und sie zeigt uns die Bäume, die können wir dann wahrscheinlich ausschließen.«
»Ja, na also, ein bisschen geht es doch voran … Hast du den Kreitmayer überprüft? Wahrscheinlich ist er Jäger und hat mehrere Waffen?«
»Vier Stück.«
»Na prima.«
»Ich gehe jetzt noch mal zu ihm rein und sag ihm, dass er in U-Haft kommt, wenn der Richter Haftbefehl erlässt.«
»Überschreitet die Bürokraft da nicht ihre Kompetenzen?«, neckte Felix sie.
»Nein, sie zeigt ein Herz für Rentner. Sie rät ihm nämlich dazu, sich einen Anwalt zu besorgen und bietet ihm dabei sogar ihre Hilfe an. Falschaussage ist strafbar.«
Felix grinste.
»Als Bürokraft kann ich das vielleicht nicht so ganz auseinanderhalten, wer sich wann strafbar macht, wer wann ein Zeuge oder Beschuldigter ist und wo die Polizei anfängt und der Richter aufhört, was meinst du?«
»Dass du eine ganz schön gewiefte Bürokraft bist«, erwiderte Felix noch immer grinsend. Dann wurde er ernst. »Und wenn er es doch war?«, fragte er.
Laura zuckte mit den Schultern »Wir können ihm kaum das Gegenteil beweisen, wir haben keine Spuren.«
» DNA ?«
»Von der Rinde? Dauert noch.«
»Ich will eine Probe von ihm.«
»Okay.«
»Und die Techniker sollen noch mal rausfahren.«
»Sie waren dreimal am Tatort.«
»Aber die Hülse haben sie noch immer nicht.«
»Vielleicht sollten wir Hunde anfordern?«
»Das Problem ist, dass dort mannshoch Dornenzeug wächst. Das ist schwierig, auch für die Hunde. Da müssten wir im Winter noch mal hin. Aber bis dahin will ich den Fall vom Tisch haben. Also: Hat der Kreitmayer schon mal bei uns arbeiten lassen?«
»Führerscheinentzug wegen Trunkenheit im Verkehr vor ein paar Jahren.«
»Das ist doch so ein alter Depp, der den ganzen Tag nichts zu tun hat, der wahrscheinlich nie verheiratet war und …«
»Witwer«, warf Laura ein.
»Und dem es stinklangweilig ist. Und da besucht er seine Kollegen in der Firma, weil er wahrscheinlich keine Kinder hat …«
»Zwei Kinder. Beide im Ausland. Goethe Institut Washington die Tochter und der Sohn als Ingenieur in Doha, das liegt da irgendwo neben Dubai.«
»Ich kenne Doha.«
»Sag bloß, du hast mal Urlaub gehabt, das ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Vielleicht reicht ihm eine Nacht bei uns, und morgen früh widerruft er?«
»Im Grunde ist das alles ziemlich traurig. Wie einsam muss einer sein, dass er so was zugibt.«
»Nein, traurig finde ich das nicht, sondern ärgerlich, dass wir jetzt nicht nur eine Schuld, sondern auch noch eine Unschuld beweisen. Aber Obacht, Laura! Lass uns nicht schludern. Das gefällt mir nie, wenn ich so schnell glaube, zu wissen, was dahintersteckt. Ein gewisses Maß an Sicherheit macht mich immer skeptisch.«
41
Es ging mir beschissen. Ständig schaute ich Flipper an und versicherte mich, dass er gesund war. Damit brachte ich ihn völlig durcheinander. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Fuß oder Hand, vor oder hinter mir, schneller oder langsamer? Alle paar Minuten leinte ich ihn an, kam mir idiotisch vor, ließ
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