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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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mein Schwager, nein, bei dem und mir stimmt die Chemie nicht.«
    »Ja, das ist nicht so einfach mit der Verwandtschaft und der Chemie«, erwiderte Felix und blieb dem Thema treu, als er Drößling verließ und Laura anfunkte. »Wer hat in Kiel mit der Verwandtschaft von dem Jensen gesprochen, mit den Freunden und so weiter? Es ist doch da oben alles klar? Wir wissen definitiv, dass der Jensen nicht bei einer Sekte oder dubiosen Organisation Mitglied war, die ihm nach dem Leben hätte trachten können?«
    »Wieso fragst du das? Hast du eine Spur? Das haben wir doch alles ganz am Anfang abgeklärt.«
    »Nur noch mal zur Sicherheit.«
    »Nein, da war nichts. Ich habe mich gestern Nachmittag auch noch mal reinvertieft, weil es mich so grantig macht, dass wir feststecken. Aber ich habe nichts gefunden.«
    »Und die Verwandten? Ich hab einen Aktenvermerk über die Gespräche gelesen, erinnere mich aber nicht im Detail daran.«
    »Das hat die Claudia übernommen.«
    »Der Jensen hat zurückgewollt. Um jeden Preis. Es sieht so aus, als wäre das sein größtes Streben gewesen. Was wäre, wenn es da oben jemanden gäbe, dem das nicht recht war?«
    »Wie?«
    »Der Jensen wollte heim. Unbedingt. Das hab ich mir von Anfang an gedacht. Alle Zeichen sprechen dafür. Seine Dialektallergie und so weiter. Für den war das nur ein Gastspiel hier. Wenn nun da oben in seiner Firma irgendwer was dagegen hat, dass er heimkommt? Wenn einer will, dass er in Bayern bleibt? Wenn einer befürchtet, dass er zurückkommt. Vielleicht weiß er was? Vielleicht stört er wen? Vielleicht geht es um eine Beförderung? Kompetenzgerangel? Was ist mit diesem Überfall auf die Firma, bei dem nur er im Gebäude war. Ich meine: Haben wir da oben wirklich alles durchleuchtet?«
    »So gut wir können.«
    »Eben.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass vielleicht mal jemand von uns hochfliegen sollte. Es sind mehr als zwei Wochen vergangen. Jetzt haben wir auch noch einen freiwilligen Mörder. Wir haben überall etwas, aber nichts Gscheites.«
    »Ich recherchiere noch mal in Kiel. Wir können später darüber sprechen. Aber ich bin nicht scharf auf eine Dienstreise, dass du das gleich weißt.«
    »Ich hätte nichts gegen ein bisschen Meerluft.«
    »Ist das jetzt Ost- oder Nordsee da oben?«
    »Meer«, sagte Felix. »Gleich neben Dubai. Nur ein bisschen kälter.«

43
    Die meisten der Hochsitze in dieser Gegend waren voll verkleidet und hießen deshalb Kanzel. Das wusste ich seit dem Frühling, als ich mich gezwungenermaßen mit der Materie beschäftigt hatte, weil Flipper am Fuße einer dazugehörigen Leiter eine Leiche entdeckt hatte. Zuvor hatte ich geglaubt, jeder könnte sich nach Lust und Laune ein solches Baumhaus bauen. Doch mittlerweile wusste ich, dass das nicht erlaubt war. Es war sogar verboten, fremde Hochsitze zu besteigen, denn ein Hochsitz steht auf einem Boden, der jemandem gehört. Selbst wenn es der Staat ist, sind damit noch lange nicht die Bürgerinnen und Bürger berechtigt.
    Ich hatte mich mit Andrea in der Wirtschaft bei den Mönchen auf dem Andechser Hügel verabredet und wollte noch eine kleine Runde mit Flipper drehen. Warum nicht durch den Wald, auch wenn es bereits dämmerte. Fast kam es mir so vor, als müsste ich mir selbst beweisen, dass ich mich das traute, als wäre es eine Voraussetzung, um später Andrea gegenüberzusitzen und ganz locker zu behaupten: »Nein, das mit dem Verfolgungswahn, das ist vorbei.«
    Als Stadtkind hatte ich mich früher im Wald bedrohter gefühlt als in der Stadt. Hinter jedem Baumstamm konnte ein schwarzer Mann lauern. Seit Flipper fürchtete ich mich nirgends. Und hinter den Bäumen standen keine Männer, bloß Bäume. »Flipper, bring mir ’nen Stock!«
    *
    »Die Frau mit dem Hund ist auf einer Überwachungskamera.«
    »Wir wissen jetzt, dass sie kein Polizeispitzel ist.«
    »Was soll ich tun?«
    »Behalt sie im Auge. Aber unternimm nichts. Nicht jetzt. Schick deine Truppe los. Später. Lass es wie einen Überfall aussehen. Keine Vergewaltigung. Keine Spuren.«
    »Den Männern ist langweilig.«
    »Wir werden sie bald austauschen. In einer Woche haben wir alles erledigt.«
    »Jа.«
    »Tötet den Hund. So lernt sie am schnellsten.«
    *
    Obwohl wir beide eigentlich kein Bier tranken, bestellten wir uns zusammen eine Maß, wenn man schon mal bei den Mönchen auf dem Berg war. Schön, etwas mit Andrea zu teilen, normalerweise hatten wir nichts gemeinsam. Sie dunkel, ich blond, ihre Augen braun, meine

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