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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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ihn laufen, rief ihn zurück.
    Unter anderen Umständen hätte ich nichts auf den blöden Spruch des blöden Russen gegeben. Doch nach Flippers Entführung vor einem Vierteljahr war ich diesbezüglich dünnhäutig. Bevor ich am Nachmittag zu meinem Unterricht nach Schwabing aufbrach, schaute ich bei Felix vorbei. Wenn sein Wagen auf seinem Parkplatz stand, würde ich klingeln und ihn noch einmal bitten, herauszufinden, was es mit den Russen auf sich hatte. Und ich würde ihm sagen, dass unser gegenseitiger Überfall in seinem Hausflur Folgen haben konnte. Tag dreizehn in meinem launischen Zyklus. Nicht, dass ich abergläubisch war oder an Vorzeichen glaubte. Doch auf der Lindwurmstraße stieß ich auf die Frau des Opfers. Klar, sie wohnte in dem Hotel an der Ecke, das hatte Felix mir selbst gesagt. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, folgte ich der Witwe ein Stück die Lindwurmstraße entlang. Diesmal war sie allein. Ich starrte in ihren Rücken und versuchte herauszufinden, ob sie in Trauer war. Muskelverspannungen, ruckartige Bewegungen, irgendein schwarzer Schatten. Ich bemerkte nichts. Auch Flipper schien nichts aufzufallen an der Frau, Häuserecken und Fahrradständer interessierten ihn deutlich mehr.
    *
    »Jа?«
    »Sie ist am Hotel, wo Jensens Frau wohnt, und sie hängt an ihr dran.«
    »Scheiße.«
    »Was soll ich tun?«
    »Bleib dran!«
    »Jа.«
    *
    Endlich klingelte mein Handy auch mal wieder. Andrea wollte wissen, ob ich mich noch immer beobachtet fühlte. »Nein«, sagte ich, doch als ich darüber nachdachte, merkte ich, dass das nicht stimmte. Was kein Wunder war, schließlich beobachtete ich selbst gerade jemanden. Ich drehte mich um, doch da war niemand. Es war eine Empfindung, als würde etwas Schweres in meinen Rücken drücken. Irgendjemand musste mich fixiert haben. Das bildete ich mir nicht ein! Oder doch? Ich blieb eine Weile vor einem Schaufenster stehen und versuchte, in der Spiegelung zu erkennen, ob jemand mich beobachtete. Dann fiel mir auf, dass ich mich seltsam benahm, indem ich so lange in eine Apothekenauslage stierte. Ich ging weiter. Blieb vor einem Schuhgeschäft stehen, zupfte an Flippers Halsband herum und musterte die Gegend unauffällig.
    Was willst du von mir, dachte ich und starrte einen jungen Türken an, der mich angestarrt hatte, oder hatte ich angefangen? Ich musste wieder runterkommen. Gut, dass wir jetzt gleich Unterricht hatten, da konnte ich mich abreagieren. In einem gesunden Körper wohnt und so weiter. Bin ich gut drauf oder schlecht, fragte ich Flipper und las die Antwort an seiner hängenden Rute ab. Plötzlich peitschte sie durch die Luft. Das Handy meldete sich.
    Felix kam gleich zur Sache: »Franza … Wegen gestern … War das gefährlich?«
    »Ja«, sagte ich die Wahrheit. Felix Tixel war immer gefährlich für Franza Fischer. Und diesmal sogar doppelt.

42
    Direktor Happach weilte in Kiel, und die anwesenden Mitarbeiter, die Felix nach Hans Kreitmayer befragte, waren nicht sehr auskunftsfreudig.
    »Ein ehemaliger Mitarbeiter«, hörte er. »Den kenn ich kaum.« – »Der ist nicht mehr bei uns.«
    »Ist der bekannt dafür, dass er gern mal übertreibt?«, wollte Felix von einer Büroangestellten wissen und bekam ein »ja mei« zur Antwort.
    »Hat er den Gerd Jensen gekannt?«
    »Woher soll ich denn des wissen?«, fragte ein Büchsenmacher in Joggingklamotten.
    »Wie oft hat der Hans Kreitmayer Sie hier in der Cafeteria besucht?«
    »Hin und wieder«, sagte die Bedienung, nachdem sie gefühlte zwanzig Minuten überlegt und dabei ein Messer zu Tode poliert hatte.
    »Einmal in der Woche, zweimal im Monat?«
    »Ich führ doch keine Liste!«
    »Mit wem hat der Hans Kreitmayer am meisten Kontakt gehabt?«
    »Wie’s halt so is.«
    »Und wie ist es so?«
    »Mal so, mal so.«
    Felix stellte fest, dass noch immer rudimentäre Reste der ehemaligen Pusterfamilie existierten, wenn auch kein mafiöses Geflecht: Sein Dienstwagen explodierte nicht, als er den Zündschlüssel drehte und den Firmenparkplatz verließ.
    Bei der Vermieterin von Gerd Jensen in Drößling, in einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, hatte er mehr Glück. Frau Wolfram, eine Endvierzigerin mit grauen, schulterlangen, fein gelockten Haaren, war fassungslos, dass so etwas passiert war. Genauer gesagt: Ihr passiert war. Sie gehörte zu den Leuten, die ein Unglück, das sie selbst nur am Rande mitbekommen, persönlich nehmen und mit ihrem eigenen Schicksal verweben. Wenn sie besser aufgepasst

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