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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Handlungen vollbrachten, dass man nachts kaum mehr schlafen könne, weil die Gedanken förmlich heiß liefen, wie man so etwas Abscheuliches tun könne. Dies dürfe man sich nicht fragen, sonst halte man das nicht aus. Es musste immer welche geben, die das aushielten, anderenfalls würde eine zivilisierte Gesellschaft scheitern – man sei schließlich dazu da, Beweise zu sammeln, damit später andere entscheiden könnten, Staatsanwaltschaft und Gerichte, und wenn man manchmal erfuhr, wie sie entschieden hatten, dann verstand man sowieso nichts mehr. Weil man selbst vor Ort gewesen sei und den jungen Mann gesehen habe und seinen Kopf ohne Verbindung zum Körper neben seinen Schuhen, ein Fuß abgehackt, das Bild so grotesk, dass es Sekunden gedauert habe, ehe man das begreifen habe können, da so etwas zu groß sei, um von einem Menschen begriffen zu werden. Weil man das Kind im Blut seiner Mutter gefunden habe, und das wollte da nicht weg, das hatte doch sonst nichts auf der Welt und sich deshalb förmlich festgekrallt an dem starren Körper mit dem fratzenhaften Gesicht und geschrien, geschrien, nächtelang noch geschrien in Felix’ Träumen. Die Augen der Toten nach ihrem gewaltsamen Ende, ihre Gesichter sähen nie friedlich aus, niemals habe er Tote gesehen, die wie schlafend oder entspannt wirkten. Die Toten, denen er begegne, denen stehe der Schreck ins Gesicht geschrieben und manchmal auch in den Leib, dieses unfassbare Grauen. Mord. Und da konnte er sich noch so oft vorsagen, dass nach dem Tod alle Muskeln erschlafften und man aus toten Gesichtern nichts lesen konnte. Dann sah er das Grauen eben unter den Gesichtern. Jedenfalls war es da.
    An der Thalkirchnerbrücke hatten wir beide wieder festen Boden unter den Füßen.
    »Franza, du hast mir erzählt, dass die Frau im Wald, die sich vor den Russen versteckte, mit einem Pferdekopf tätowiert war. Ich habe versucht herauszufinden, ob wir sie registriert haben. Damit habe ich gegen eine Dienstanweisung verstoßen, und deshalb hat man mir den Fall entzogen.«
    Ich blieb stehen und starrte ihn an. Das Licht einer Laterne warf einen Schatten auf seine rechte Gesichtshälfte, die ich so noch nie gesehen hatte: mit einer scharfen Falte zwischen Nase und Mund.
    »Aber wieso hat man dir den Fall entzogen, du hast doch nur deine Aufgabe erfüllt!«
    »Weil ich in der Russensache keine Ermittlungen durchführen kann. Das BKA bearbeitet diesbezüglich einen Fall …«
    »Der Geheimdienst!«, entfuhr es mir. »Die zwei Typen in dem Audi!«
    »Die vom BKA glauben, dass der Mord an dem Jäger Staub aufwirbeln könnte im Dunstkreis eines Personengeflechts, in dem die ermitteln. Deshalb dürfen wir nicht ohne Weiteres mit allen Leuten sprechen. Ich habe strenge Anweisungen. Normalerweise«, er räusperte sich, »ist das kein Problem für mich. Letztlich ziehen wir an einem Strang, und ich werde einen Teufel tun, Kollegen zu behindern. Doch in dieser Sache hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass es eben doch eine Verbindung gibt. Auch wenn sie selbst auf den zweiten Blick nicht sichtbar ist und die Erklärung der Kollegen plausibel klingt. Die Waffe, die du, ich meine …, Flipper, gefunden hat, das ist definitiv nicht die Mordwaffe.«
    »Aber woher weiß man das so sicher, dass es nicht die Mordwaffe ist?«, stellte ich eine blöde Frage, wie mir unmittelbar danach selbst auffiel. Die hatten ihre Methoden, war das nicht die Ballistik, die hierüber Auskunft gab?
    Felix beantwortete sie trotzdem. »Die Skorpion ist eine kleine Maschinenpistole mit enorm schneller Schussfolge. Theoretisch könnte man das Magazin zwar teilweise oder ganz mit Dum-Dum-Geschossen füllen, aber wozu?«
    »Dum-Dum-Geschosse?«, staunte ich. In welchem Film war ich gelandet?
    »So nennen wir Teilmantelgeschosse, manipulierte Munition. Da wird die Spitze abgezwickt oder abgeschnitten, das sind mörderische Geschosse. Man erkennt sie an der Wunde. Vorne hast du oft ein kleines Loch und hinten …«
    »Einen Krater«, flüsterte ich, das Bild des Toten vor Augen, das ich unerlaubter Weise in Felix’ Wohnung gesehen hatte.
    »Sozusagen.« Felix schöpfte keinen Verdacht. Er war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. »Alles spricht dafür, dass sich der Täter mit Waffen auskennt.«
    »Ein Jäger?«
    »Möglich. Jäger verwenden in der Regel Schrot und Teilmantelgeschosse. Wir haben die Tatwaffe bis heute nicht identifiziert, weil uns die Patronenhülse fehlt. Um festzustellen, aus welcher Waffe

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