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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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viert. Die zwei, Chefbauer und er.
    Chefbauer war blass. Diesmal stellte er sich nicht vor Felix. Warum auch? Felix war nicht mehr zu helfen, und das Schlimme war, dass er das selbst wusste, ja, er hatte es schon gewusst, als er angerufen hatte, aber er hatte keine Wahl gehabt. Und daran war sie schuld. Sie hatte ihn provoziert. Das Leben könnte so einfach sein, wenn es keine Frauen gäbe.
    Wider Erwarten unterzogen sie ihn keiner Befragung. Er hätte auch nicht gewusst, was er hätte sagen sollen. Alle Ermittlungsergebnisse waren ja zuvor bereits besprochen worden. Sie ließen Chefbauer reden, standen nur in der Ecke, der eine wie immer mit vor der Brust verschränkten Armen. Ihre Mienen zeigten keine Spur von Genugtuung, glatt und kühl schauten sie an ihm vorbei und durch ihn durch.
    »Felix, du kümmerst dich jetzt mal um die Messerstecherei in Bruck. Solveig braucht da dringend Unterstützung«, wies Chefbauer an. Seine Stimme klang belegt.
    Normalerweise hätte Felix widersprochen. Solveig brauchte keine Unterstützung, der Fall war so gut wie geklärt, die zwei jugendlichen Intensivtäter bereits verhaftet, das Geständnis nur noch eine Formsache. Was blieb, war langweiliger, öder Bürokram, Beweismaterial sammeln für den Staatsanwalt.
    »Okay«, sagte er und musste sich sehr anstrengen, damit seine Stimme nicht brach.
    Chefbauer räusperte sich. »Das ist eine Anordnung vom Präsidium«, als wollte er Felix zeigen, dass er zu ihm hielt.
    »Ja, dann dürfte alles klar sein«, mischte Tom Stiefel sich ein.
    Chefbauer nickte.
    Die zwei gingen zur Tür. Die Klinke in der Hand drehte sich Tom Stiefel noch einmal zu Felix um. »Und, Herr Tixel«, schob er nach, »halten Sie die Frau mit dem Hund aus der Sache raus.«
    »Und vor allem«, ergänzte Christian Wagner, »halten Sie sie fern von dem Haus. Sie weiß nicht, was sie tut.«
    Als sie wirklich weg waren, Chefbauer beobachte das von seinem Fenster aus, erst dann sagte er: »Felix! Bist du denn deppert!«
    »Ja«, sagte Felix.
    »Ich will jetzt von dir wissen, wieso du bei den Kollegen von Menschenhandel, Prostitution und Zuhälterei nach einer jungen Frau mit einem Pferdekopftattoo auf dem Busen fragst, und gleich danach will ich nichts mehr davon wissen.«
    »Die Frau mit dem Hund hat sie gesehen. Im Wald.«
    »Und warum meldest du das dann nicht? Ich verstehe dich nicht! Und dann noch auf eigene Faust. Tixel!«
    »Ja.«
    »Und wie steh ich jetzt da, wie stehen wir alle da? Baust du nur noch Mist?«
    »Ja.«
    »Sag nicht immer ja.«
    »Ja.«
    »Der Ober sticht den Unter, das weißt du doch!«
    Felix versuchte ein Grinsen. Es tat ihm selbst weh, so schief verrutschte es.
    Chefbauer ratschte seinen Tabaksbeutel auf. »Jetzt geh heim, und bleib daheim bis übermorgen. Hast sowieso viel zu viele Überstunden. Und am Donnerstag kommst wieder. Und tu mir einen Gefallen, Felix: Sei dann einfach wieder der Alte.«
    »Ja«, sagte Felix, und es gab nichts, was er sich in diesem Moment sehnlicher gewünscht hätte.

45
    Mich traf fast der Schlag, als ich ihn auf der blauen Bank in meinem Hinterhof sitzen sah. Felix! Bei mir! Flipper flippte vor Freude völlig aus. Er wedelte wie verrückt, und da Felix nicht wie erwartet aufsprang, um mit ihm zu spielen, erhöhte er sein Tempo als wollte er gleich abheben. Felix klopfte seine Flanken. Sein Gesicht sah ich nicht. Musste ich auch nicht. Sein Körper erzählte mir genug. Abwartend blieb ich an der Hausecke und schaute eine Weile zu, wie der attraktive Mann mit dem Dreitagebart in dem herbstlich gemusterten Fleecepulli sich von meinem Hund trösten ließ. Flipper begriff sofort, dass hier ein Gespräch unter Männern indiziert war und lauschte aufmerksam, in welchem Takt Felix’ Herz schlug. Den nahm er auf mit seiner Rute, beruhigte ihn und führte ihn in ein entspanntes Schwingen, das schließlich auch mich berührte und mir das Zeichen gab, näherzutreten.
    »Hallo«, sagte ich und setzte mich neben Felix auf die Bank. Flipper gab den Taktstock ab und ließ sich mit einem dumpfen Schlussakkord vor uns nieder, wie eine Brücke lag er auf meinem rechten und Felix’ linkem Fuß.
    »Servus, Franza«, sagte Felix.
    In den Häusern um uns brannten erste Lichter, ich erkannte Schemen an Fenstern, und aus einer geöffneten Balkontür drang Geschirrklappern. Es roch nach angebratenen Zwiebeln. Dies war nicht die rechte Zeit für tiefsinnige Gespräche im Hinterhof, sondern für einen gedeckten Abendbrottisch. Dieser Felix,

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