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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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und ich war dankbar für die Dunkelheit an der Isar. Wo ich auftauchte, gab es Schwierigkeiten.
    »Felix«, ich suchte nach Worten. »Ich sag alles, was du willst. Ich nehm alles auf mich. Wenn ich dir irgendwie helfen kann.«
    Sein »Danke« klang mechanisch. Er würde niemals darauf zurückkommen.
    »Man hört jetzt oft was von … Russenmafia?«
    Er schwieg.
    »Also gibt es die wirklich, nicht bloß im Fernsehen?«
    »Natürlich gibt es die wirklich«, blaffte er mich an.
    »Aber nicht für dich«, sagte ich schnell.
    Keine Antwort.
    Ich wagte mich weit vor. »Ganz ehrlich ist es mir lieber, du hast mit denen nichts zu tun. Ich kenne mich natürlich nicht aus, aber ich glaube, die sind äußerst brutal und gefährlich.« Ich stockte. Plötzlich hatte ich eine Idee. »Ich könnte mit Flipper zum Tatort, wenn du mir zeigst, wo der ist«, gab ich vor, das nicht zu wissen, »Flipper könnte die Hülse vielleicht finden …«
    Felix packte mich hart bei den Schultern. »Du hast es eben selbst gesagt. Äußerst brutal und gefährlich. Ich will dich in diesem verdammten Wilder-Hund-Gebiet überhaupt nicht mehr sehen. Es reicht mir schon, dass es dort einen Waldkindergarten gibt. Flipper ist kein Sprengstoffsuchhund. Halte ihn da raus und dich erst recht. Geh da nicht mehr hin, Franza. Tu es nicht! Versprich mir das!«
    »Okay«, sagte ich.
    »Lüg mich bloß nicht an«, verlangte er.
    »Bestimmt nicht«, sagte ich und überkreuzte meine Finger.
    Felix begleitete uns zurück bis in den Hinterhof. »Servus, Franza.« Er legte seine Hände um meine Wangen und lehnte seine Stirn an meine. Zwei, drei Atemzüge verharrten wir so. Er klopfte Flipper auf die Flanke und verschwand, eine Gestalt im Nebel, der von der Isar in Schwaden heraufzog.

46
    In den nächsten beiden Tagen hörte ich nichts von ihm. Je nachdem, wer gerade die Aktienmehrheit in meinem Imperium innehatte, fand ich das in Ordnung, oder es machte mich wütend. Franzaja war der Meinung, dass Felix sich nicht um sie, sondern um seine Probleme kümmern sollte. Franzaja vertraute ihm und zweifelte nicht daran, er würde sich melden, sobald er Zeit und einen freien Kopf hatte. Franzaja fand diese Konstellation sogar sehr angenehm, weil sie sich dann um ihre Belange kümmern konnte. Und da stand auch einiges auf der Tagesordnung – zum Beispiel Fitnessstudios und weitere Privatkunden akquirieren. Franzanein fand Felix’ Verhalten rücksichtslos. Er war zur Napfzeit unangemeldet aufgetaucht, verlangte, dass wir mitten in der Nacht endlos mit ihm an der Isar entlangliefen, schüttete uns sein Herz aus und löste sich danach einfach in Luft auf. Und dann war da noch die andere Sache. Diese Unbeherrschtheit bei ihm im Hausflur zwischen Briefkästen und Kellertreppe. Da könnte man sich doch mal erkundigen? Andererseits: Was könnte ich ihm sagen, außer: abwarten. Für einen Test war es noch zu früh.
    Neutral betrachtet brauchte Flipper dringend eine männliche Bezugsperson. Sonst wurde er noch zu einem jener Hunde, die ein schwieriges Verhältnis zu Männern entwickelten. Flipper war zu groß gewachsen für ein schwieriges Verhältnis zu irgendwem. Eine gute Verbindung zu Felix war also nichts anderes als Prävention, eine kluge Vorsichtsmaßnahme. Und dann gab es da noch etwas. Es fiel mir nicht leicht, das einzugestehen, doch es ließ sich nicht von der Hand weisen, dass Flipper und ich an Felix’ Misere schuld waren.
    Ich hatte den Schlüssel aus seinem Keller geholt und das Notizbuch gelesen. Flipper hatte die Waffe gefunden. Wir hatten den Fall ins Rollen gebracht, und es war nett von Felix, dass er mir das nicht aufs Brot geschmiert hatte. Flipper und ich würden das ausbügeln. Wir waren an keinerlei Dienstvorschrift gebunden. Wir konnten spazieren gehen, wo wir wollten. Ich wusste jetzt, mit wem ich es zu tun hatte. Das war ein Vorteil, weil die Russen ja nicht wussten, dass ich mehr als eine Spaziergängerin war. Und das mit der Drohung gegen Flipper, das war bloß heiße Luft gewesen. Ich durfte mich da nicht reinsteigern. Vielleicht hatte Andrea ja recht. Ich war ein gebranntes Kind, ich hatte eine Art Verfolgungswahn entwickelt und musste wieder runterkommen. Zurück in meinen Alltag. Und da war es klar: Flipper und ich, wir gehörten nicht zu denen, die irgendwas anfingen und dann halb stehen ließen. Wir löffelten unsere Näpfe aus. Wir würden Felix nicht im Stich lassen. Sollte es eine Verbindung geben zwischen dem Mord an dem Jäger und den Russen,

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