Sonst kommt dich der Jäger holen
war es nicht vielmehr so, dass ab einer gewissen Summe illegale Streitwerte ins Spiel kommen mussten?
An der vierten Station unseres Trimmpfades fragte ich Anton ohne Vorrede und Umschweife: »Ich suche eine Prostituierte mit einem Pferdekopf.«
»Bitte was?« Er starrte mich an.
»Weiter! Atmen. Noch dreimal und los!«
Folgsam führte Anton die Übungen aus. Wir liefen zur nächsten Station. Er erschien mir ein wenig kurzatmig.
»Langsamer«, befahl ich.
»Franza …«, keuchte er.
»Ich bin jetzt dein rotes Telefon«, grinste ich. »Ich brauche Kontakt zu einer russischen Prostituierten …«
»Mit einem Pferdekopf!«
»Ja, denn …« Da fiel mir auf, was ich gesagt hatte, und diesmal wurde ich selbst kurzatmig. Vor Lachen. Das war auch angezeigt, denn ich hatte Anton offenbar so sehr beunruhigt, dass sein Puls beängstigend in die Höhe schnellte, wie Flipper mir besorgt signalisierte und ein Blick auf die Pulsuhr bewies.
»Mit einem Pferdekopf-Tattoo«, stellte ich richtig. Ich wies auf mein Dekolleté. »Hier, an dieser Stelle. Es ist nicht besonders schön, aber ich habe so etwas noch nie gesehen, und ich dachte … wenn mir jemand helfen kann, dann du …«
»Du glaubst doch nicht etwa …«
»Nein, glaub ich nicht, Anton. Ich weiß, dass du keine Pferde magst. Das ist auch keine private Anfrage.«
Flipper setzte sich unmittelbar vor ihn und starrte Anton an.
»Es ist nur so ein Gefühl«, sagte ich, »dass du uns«, das uns wählte ich mit Bedacht, »weiterhelfen könntest mit deinen … vielschichtigen Kontakten.«
»Bist du wieder in was verwickelt?«, fragte Anton.
»Nein, ich bin in gar nichts verwickelt. Flipper wurde bedroht, und ich bräuchte eine Auskunft von besagter Dame.«
»Um Himmels willen!«, rief Anton und streichelte Flipper, als wollte er Maß nehmen für eine kugelsichere Weste.
»Kannst du mir helfen?«, fragte ich noch einmal.
Dr. Anton Dürr schwieg. Ich hielt das für ein gutes Zeichen.
Auf der Starnberger Autobahn tippte ich bei gemütlichen 120 km/h die nächste SMS an Felix: Habe das rote Telefon aktiviert.
48
Sepp Friesenegger hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass ich ihn noch einmal besuchen würde. Grinsend musterte er mich. »Sakelzement!«
»Ja, Sie sind unwiderstehlich«, schmeichelte ich ihm.
Sein Grinsen wurde breiter, dann fiel ihm unser letztes Treffen ein, das er nach meiner indezenten Frage unter einem fadenscheinigen Vorwand abgebrochen hatte, und seine leberfarbenen Lippen verwandelten sich in ein straff gespanntes Gummiband.
»Ich möchte mich entschuldigen«, begann ich unumwunden.
»Sie sind eine Journalistin«, glaubte er mich entlarvt zu haben.
»Nein, ich bin nach wie vor Fitnesstrainerin. Aber ich war ein bisschen durch den Wind, weil in letzter Zeit einige Dinge geschehen sind, die …«
»Sie sind mir noch einen Kaffee schuldig. Mit Kuchen. Heute haben wir Käsesahne in der Cafeteria. Isst eine Fitnesstrainerin so was?«
»Die hat noch ganz andere Laster«, gab ich mich locker, und er stieg mit einem anerkennenden Blick auf meine Figur, für die ich täglich hart trainierte, sofort darauf ein: »Wer ko, der ko!«
Wir setzten uns zwischen den Eis- und den Braunbären, und ich erzählte Sepp Friesenegger den Teil der Wahrheit, den ich auch Franz Brandl erzählt hatte: von den Russen und meiner Angst um Flipper. »Ist da was dran, was meinen Sie?«, fragte ich ihn, »Sie kennen sich hier doch aus.«
Seine Brust wurde breiter und seine Stimme tiefer. »Ich habe noch überhaupt nie einen Russen gesehen, und ich lauf da oft vorbei. Da müssten Sie mit einem reden, der in der Nähe lebt. Ich wohne ja in Herrsching unten, fragen Sie mal den Brandl Franz, wenn es Sie beruhigt, aber ich sag Ihnen gleich: Da ist nix, sonst wüsste ich das. Und außerdem ist hier jetzt alles sicher. Der Mörder von unserem Kollegen Gerd Jensen ist gefasst.«
Ich setzte alles auf eine Karte, indem ich zweimal Halbwissen addierte und die Summe ausspielte.
»Sie meinen den alten Mann?«, fragte ich. »Hans Kreitmayer.«
»Woher wissen Sie das jetzt schon wieder?«
»Ich war zufällig bei der Polizei, wegen den Russen. Ich wollte das melden, da habe ich es mitgekriegt.«
Sepp Friesenegger lehnte sich zurück und musterte mich misstrauisch. »Bei der Mordkommission?«
»Ich kenn den Kommissar.«
Er kniff die Augen zusammen.
»Der ist bei mir im Fitnessstudio.«
»Ach so, ach, der«, Sepp Friesenegger schien auf Anhieb zu wissen, welchen Kommissar ich
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