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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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sein können: »Wenn man sieht, wie jeder Kriegstag unermessliche materielle und auch andere Werte zerstört, muss man sich fragen, ob diese Zerstörungen nicht für die gesamte Menschheit einen Verlust bedeuten.«
    Um den 20. Juni kommt Fritz Hartnagels harmonisierender Brief in Ulm an. »Wie ich mich immer freue«, ist Sophie Scholls erste Reaktion, um sogleich das Hauptthema aufzugreifen. »Ich glaube es zu gerne, dass du mir, wenn wir auf weltanschauliche und davon schlecht zu trennen, politische Gespräche kommen, aus Opposition widersprichst.« Vielleicht hat Fritz Hartnagel aufgeatmet – zu früh: »Ich aber habe nie aus Opposition gesprochen … im Gegenteil, ich nehme unbewusst immer noch etwas Rücksicht auf Deinen Beruf, in dem Du gebunden bist, das es vielleicht letzten Endes auch ausmacht, dass Du diese Dinge vorsichtiger wägst, vielleicht auch Zugeständnisse machst hierhin und dorthin.« Rücksicht, das war für Sophie Scholl gestern. In der Gegenwart von 1940, als sie ihre Urteile über den Nationalsozialismus in den Briefen an Fritz Hartnagel klar und eindeutig ausspricht, gibt es auch in ihrer persönlichen Beziehung keine Zugeständnisse mehr: »Ich kann es nur nicht verstehen, dass man etwa zusammenleben kann, wenn man in solchen Fragen verschiedener Ansicht, oder doch zum mindesten verschiedenen Wirkens ist.« Das ist ebenfalls klar und eindeutig.
    Offensichtlich erkennt Fritz Hartnagel, dass die schriftliche Diskussion dieser Wochen weit über alle früheren Gespräche hinausgeht. Ihre Beziehung insgesamt steht auf dem Spiel. Endlich, am 9. August, hat er Zeit, sich und seinen Beruf zu rechtfertigen: »In letzter Zeit habe ich sehr oft darüber nachgedacht, was Dich in Gegensatz zu meinem Beruf und meiner Arbeit bringt. Ich glaube, Du siehst manchmal im Soldatenberuf nur das Äußere und beurteilst nicht den soldatischen Gedanken an sich, sondern seine sogenannten Vertreter.« Dass Staat und Partei »jedem soldatischen Denken zuwiderhandeln ist kein Grund das Soldatische an sich zu verurteilen«. Fritz Hartnagel sieht im Soldatentum »eine Lebenshaltung« – selbstbewusst und bescheiden, aufrecht und treu, gottesfürchtig und wahrhaftig. »Liebe Sofie«, schließt er, »ich schreibe Dir das, damit wir uns besser verstehen und uns näher kommen können. Ich wünsche, dass Du in Deinen Ferien schon viel Schönes gesehen und erlebt hast. Dein Fritz.« Ein Hinweis darauf, dass Sophie Scholls Leben in diesem Sommer 1940 nicht nur aus Müdigkeit und Denken und Bilanz-Ziehen besteht.
    Die Ausbildung im Fröbel-Seminar ist anstrengend, zumal Sophie Scholl nicht – wie während der Schulzeit – mit einem Minimum an Einsatz das Jahr einfach herumbringen will. Davon erzählen ihre seitenlangen Aufzeichnungen des Lernstoffs, die Vorbereitungen auf Spiele im Kindergarten, die Exzerpte aus den Schriften von Fröbel und Pestalozzi, die Skizzen von Kindergarten-Kindern und ihren Eigenschaften. Sie ist sehr bei der Sache und deshalb froh, als Anfang August eine Woche Urlaub mit Lisa Remppis ansteht. Zumal es ihr in den Wochen zuvor nicht gut ging; ständig fragen die Briefeschreiber »Bist du noch krank?«. Am 26. Juli muss sie einen Besuch bei Lisa in Leonberg absagen – »bis heute halbkrank« –, freut sich jedoch schon auf die Fahrt ins Gebirge.
    Am 1. August kommen die beiden Freundinnen in Warth in Vorarlberg an. Sophie Scholl schreibt sogleich an Fritz Hartnagel, mit dem sie zweimal im März, rund um das Abitur, hier war: »Ich denke recht oft an Dich und viele Spaziergänge erinnern mich an unsre Skiferien. Das sind sehr nette Erinnerungen.« Sie vergisst auch nicht den Unterschied zwischen den Ferien damals und dem katholischen Pfarrhaus, in dem sie mit Lisa einquartiert ist: »Leben werden wir von Schwarzbrot und Butter und Käse, denn diesmal ist kein Fritz dabei, der ein gutes Essen bestellt wie für Fürsten.« Aber das ist Nebensache: »So sehr habe ich mich schon lange nicht mehr an Blumen gefreut wie heute. Überhaupt war ich schon lange nicht mehr so glücklich …« Acht Tage später, es ist ihr letzter Ferientag, kommt noch einmal ein glücklicher Brief: »Die Berge werden mir immer lieber und auch die Menschen hier. … Zudem weht eine herrlich freie Luft hier, in jeder Beziehung. Wie gut können einfache Menschen sein.« Aus den frohen Zeilen spricht der Druck, die meiste Zeit in unfreier Luft zu atmen und jedes Wort abzuwägen, das man mit den Menschen austauscht. Am nächsten Tag

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