Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
wurden, um Zwangsarbeit zu verrichten. An Lisa Remppis schreibt Sophie Scholl, dass die Russinnen, die in der Fabrik arbeiten, »viel kindlicher« sind als die deutschen Arbeiterinnen, »das ist ein schöner, rührender Zug an ihnen«. Den Brief an den Vater schließt sie mit den Grüßen von vielen Freunden, die alle an einer Mauer von Gedanken um ihn bauen: »Du spürst doch, dass du nicht allein bist, denn unsere Gedanken, die reißen die Schranken und Mauern entzwei: die Gedanken –!«
    Auch Inge Scholl hat dem Brief von Lina Scholl an den Vater einen eigenen hinzugefügt. In den Zeilen der jüngsten und der ältesten Tochter spiegeln sich die unterschiedlichen Temperamente und Lebensgefühle. Auch Inge Scholl tröstet den Vater, aber auf einer anderen, geistlichen Ebene. Sie möchte »ganz viel Ungemach« auf sich nehmen, »wenn Deine Leiden dadurch gemindert würden«. Allerdings »kämen wir nie so tief mit dem wahren Sinn des Lebens in Berührung, wenn uns der Schmerz erspart bliebe«. Dann nimmt sie auf, wie Robert Scholl in seinem ersten Gefängnisbrief sein Leid deutet: »Dass Du es hinnimmst für vergangene Fehltritte. Und nicht allein Dir, lieber Vater, auch für die Verschuldung der Mitmenschen darf dieses persönliche Leid eine Sühne sein, eine Abbuße.« Inge Scholl leidet intensiv mit dem Vater. Das Provokative, Vorwärtsgerichtete, das Sophie Scholls Zeilen auszeichnet, ist ihre Sache nicht. Inge Scholl blickt nach innen, Sophie Scholl vergisst die Welt draußen nicht. Ganz selbstverständlich setzt sie sich an des Vaters Stelle, wenn es darum geht, die politische Situation zu beobachten: »Nun, da Du nicht mehr da bist, der uns immer auf dem Laufenden hält, höre ich gewissenhaft die Nachrichten und stehe oft vor der Karte Europas.« Als sich die Gelegenheit ergibt, in Ulm in eigener Verantwortung aktiv zu werden, handelt Sophie Scholl.
    Von seiner Frau erfährt Robert Scholl am 2. September, »dass Sofie bei Suses Eltern zu Mittag essen darf, bin ich froh, auch Obst bekommt sie jedesmal.« Der Vater von Susanne Hirzel, Sophies Freundin seit »Jungmädel«-Tagen, ist Pfarrer an der Ulmer Martin-Luther-Kirche. Durch die Mittagessen während der Fabrikpause ist Sophie Scholl täglich im Pfarrhaus, und der Kontakt zwischen ihr und Susanne Hirzels jüngerem Bruder Hans wird enger. Der Achtzehnjährige macht sich Gedanken über den Staat, der ihn nach dem Abitur 1943 sogleich zum Wehrdienst einziehen und in den Krieg schicken wird. In den Weihnachtsferien 1941/42 hatte er Klärung bei Hans Scholl gesucht. Auf einem langen Winterspaziergang lässt Hans Scholl keinen Zweifel daran, dass sie in einer Diktatur leben, die Freiheit und Menschenwürde nicht achtet. Aber zu diesem Zeitpunkt, so Hans Hirzel viele Jahre später, habe Hans Scholl Widerstand abgelehnt. Man dürfe nicht »ins Rad der Geschichte« greifen. Im Sommer 1942 findet Hans Hirzel in seiner Ulmer Post das erste »Flugblatt der Weißen Rose«, abgestempelt in München – und vermutet sogleich Hans Scholl hinter dieser Aktion. Er fährt am 23. Juli nach München, um mehr zu erfahren, und landet unversehens in der Abschiedsfeier im Atelier Eickemeyer, bevor Hans Scholl am nächsten Tag mit anderen Medizinstudenten zum Einsatz nach Russland verbracht wurde.
    Eines Tages nach dem Mittagessen im Pfarrhaus fragt ihn Sophie Scholl, ob er bereit sei, einen Vervielfältigungsapparat zu kaufen, um »Flugblätter« herzustellen. Hirzel sagt »ja«. Sie gibt ihm achtzig Reichsmark, für die Hans Hirzel unter Angabe eines falschen Namens tatsächlich einen Vervielfältigungsapparat erstand. Sophie Scholl hatte genug eigenes Geld: Im Mai hatte ihr Fritz Hartnagel in München 1000 Mark gegeben. Als er von Roberts Scholls Gefängnisaufenthalt erfuhr, überwies er Sophie Scholl sogleich 250 Mark. Vielleicht gab Fritz Hartnagel mit seinem Brief vom 31. August den letzten Anstoß, tatsächlich auszuführen, worauf Sophie schon lange in Gedanken vorbereitet war. Er hatte es abgelehnt, ihr den gewünschten Bezugsschein zu besorgen. Wohlweislich hatte er in seinem Brief nicht ausgesprochen, was Sophie Scholl mit dem Bezugsschein legal erwerben wollte: einen Vervielfältigungsapparat. Sophie Scholl zögerte nicht, mit dem Anwerben von Hans Hirzel ohne Rücksprache mit Hans Scholl eigenständig zu handeln. Ihre Tatkraft lässt vermuten, dass in Gesprächen mit dem Bruder im Juli in München weitere Flugblatt-Aktionen angedacht worden waren.
    Im September wird

Weitere Kostenlose Bücher