Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
wird es nicht geben.
    Am Mittag des 4. Februar führten Hans und Sophie Scholl ihre Schwester Elisabeth ins »Bodega« in der Maffeistraße, ihr Lieblingslokal. Anschließend gingen sie ins Atelier Eickemeyer in die Leopoldstraße, dort stand um 16 Uhr der nächste Termin an. Theodor Haecker las aus seinem Buch »Schöpfer und Schöpfung«. Wie bei seiner Lesung im Juli 1942 verstieß der Dreiundsechzigjährige damit gegen das Leseverbot, das seit 1936 gegen ihn verhängt war. Etwa fünfundzwanzig Interessierte hörten ihm gebannt zu. Sophie Scholl beschrieb drei Tage später Fritz Hartnagel, wie sie Haecker erlebt hatte: »Das waren eindrucksvolle Stunden. Seine Worte fallen langsam wie Tropfen, die man schon vorher sich ansammeln sieht, und die in diese Erwartung hinein mit ganz besonderem Gewicht fallen. Er hat ein sehr stilles Gesicht, einen Blick, als sähe er nach innen. Es hat mich noch niemand so mit seinem Antlitz überzeugt wie er.« Geschrieben hat Sophie Scholl den Brief in Ulm. Am 5. Februar war sie mit ihrer Schwester direkt nach Hause gefahren.
    Inge Scholl berichtet aus der Erinnerung, dass Sophie Scholl – »kaum war sie zur Glastüre hereingetreten« – ihr und den Eltern »lachend und mit Genugtuung« von den Parolen an den Häusern in der Ludwigstraße und am Universitätsgebäude erzählte. Was in Ulm auf sie wartete – Putzen, Kochen, Große Wäsche – war Routine für Sophie Scholl. Sie kannte sich aus im Haushalt am Münsterplatz. Daneben jedoch blieb Zeit für anderes, wie Fritz Hartnagel unter dem Datum vom 7. Februar erfährt: »Zur Zeit ist Otl in Urlaub. Ich habe in den letzten Tagen viele Stunden bei ihm verbracht, weil er mich modelliert hat. Nun habe ich große Lust in meine Hände bekommen, es ihm gleichzutun.« Ihre Lust mit Lehm zu arbeiten war so groß, dass Sophie Scholl schon drei Tage später dabei ist, ihre Schwester Elisabeth zu modellieren.
    Hat sie Otl Aicher – im Anschluss an Bad Hall, wo sie ihm »alles dargelegt« hat – in den gemeinsamen Stunden erzählt, wie es in München weitergegangen ist? Wir werden es nie erfahren. Und wie reagierte ihre Schwester Inge darauf, dass Sophie so viel Zeit mit Otl verbrachte? Auch darauf gibt es keine Antwort. Aber ein Satz in Inge Scholls Gebetsheft zeigt an, dass der Riss des Misstrauens, der sich über die Weihnachtstage in ihrer Seele breit gemacht habe, noch nicht ausgeheilt ist. »Wer ist näher bei Dir, Sofie oder ich«, diese Frage hatte sie Gott am 19. Januar 1943 in ihrem Gebetsheft gestellt. Eine salomonische Bitte folgte: »Lass uns so nahe als möglich bei Dir sein, beide.« Inge Scholl möchte gute Gedanken gegenüber Sophie hegen. Aber das Gefühl, in Konkurrenz zu ihrer jüngsten Schwester zu stehen – gegenüber Otl, sogar gegenüber Gott –, ist nur schwer zu überwinden.
    Es ist der Jüngste, Werner Scholl, Soldat an der russischen Front, der bei seinen Geschwistern in diesen Wochen nur gute Gedanken auslöst. Er erhält viele Briefe, die ihn stützen und trösten, ihm Mut zusprechen. Auch zwischen Sophie und Werner Scholl hat sich ein intensiver Briefwechsel entwickelt. Wenn sie zu ihm von der großen Freude spricht, die seine Briefe bei ihr auslösen, ist das keine Floskel. Werner Scholl hat langsam sein inneres Gleichgewicht gefunden, um den Krieg möglichst unversehrt zu überstehen. Ebenso eindrucksvoll ist die poetisch-sensible Sprache, die er für seine Gedanken findet: »Kurz ehe der Tag durch einen neuen abgelöst wird«, schreibt er Sophie Scholl am 6. Februar, »will ich mich noch für Deinen Brief bedanken. So reicht ein jeder Tag seine müde Hand dem jungen und von wie vielen Seelen wird dieser getragen, dass das Licht der Liebe das stumme und kalte Herz des Menschen erwärme … Wie seltsam klingt das doch in unserer Zeit, die doch schon längst den Scheiterhaufen verdient hätte. Aber sie hat doch gleichzeitig unsere Geburtsstunde bedeutet? Und der Mensch wäre undankbar, würde er in ihr nicht gleich den Vorboten einer neuen, besseren Epoche sehen. Wenn ich das nur immer wieder in meine Gebete mit einfließen ließe.«
    Der Jüngste fragte Inge, die Älteste, gerne um Rat, zum Beispiel, wie man sich von der Ich-Sucht befreien kann. Inge Scholl war im Dezember 1942 ausführlich auf seine Frage eingegangen und sah auch diesmal die Lösung des Problems im Bereich des Glaubens, in der Beziehung zu Gott. Sie stützt sich auf persönliche Glaubenserfahrung wie auf christliche Autoritäten: »Sieh,

Weitere Kostenlose Bücher