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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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grübeln. Am Abend notiert Inge Scholl den täglichen Dialog mit Gott in ihrem Gebetsheft: »Ich danke Dir, dass Du mir über das Misstrauen gegenüber Sofie hinweghilfst.« Allerdings spüre sie immer noch eine gewisse »Dumpfheit im Herzen«.
    Es ist unvorstellbar, dass Lina und Robert Scholl mit den Töchtern Inge und Elisabeth an diesem Abend im Radio die Übertragung aus dem Berliner Sportpalast gehört haben. Dort sind 14 000 Männer und Frauen eingeladen, handverlesene fanatische Anhänger Hitlers und des Nationalsozialismus. Am Rednerpult steht der Propagandaminister Joseph Goebbels. Hinter ihm prangt in übergroßen Buchstaben die Parole »Totaler Krieg – Kürzester Krieg«. Nach zwei Stunden beschließt der Minister seine Rede mit zehn aufpeitschenden Fragen, die das Publikum unter Brüllen und fanatischem Beifall mit einem tobenden »Ja!« beantwortet: »Glaubt ihr mit dem Führer und mit uns an den endgültigen, totalen Sieg der deutschen Waffen? … unter Aufnahme auch der schwersten persönlichen Belastungen …? Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen Krieg, sagen die Engländer, sondern die Kapitulation. Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg ? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können?«, Ja, beschreit die Menge ihren eigenen Untergang, und immer wieder dröhnt es: »Führer befiehl, wir folgen dir«. Vielleicht war es Mitternacht, wahrscheinlich nicht viel später, als bei Familie Scholl in Ulm an diesem Donnerstag die Lichter ausgemacht wurden.
    Für Sophie Scholl im Wittelsbacher Palais in München gibt es in dieser Nacht keine gnädige Dunkelheit und keinen Schlaf. Vielmehr Bohnenkaffee – eine Rarität in diesen Kriegszeiten –, damit sie einen klaren Kopf behält. Das ist im Sinne von Robert Mohr. Sophie soll erkennen, dass sie keine Chance hat, die Geschichte aus dem ersten Verhör durchzuhalten. Dass weiteres Leugnen sinnlos ist. Sie soll erzählen, was sie und ihr Bruder und weitere Gegner des Nationalsozialismus getan hatten, um den Staat Adolf Hitlers zu bekämpfen. Robert Mohr hat später gesagt, er habe Sophie Scholl für ihre aufrechte Haltung während des Verhörs bewundert. Das mag sein. Aber er ist der Jäger und Sophie Scholl die Gejagte; das Opfer, das er zur Strecke bringen will. Dafür setzt er seine ganze professionelle Erfahrung ein. Gewalt wird offensichtlich nicht angewandt.
    Hans Scholl wird in diesen nächtlichen Stunden ähnliche Gedanken gehabt haben wie seine Schwester. Mit zwei zusätzlichen Belastungen: Er war der Kopf der kleinen Widerstandsgruppe; er hatte die meisten Anstöße gegeben; bei ihm waren die Aktivitäten zusammengelaufen. Er trug die größte Verantwortung. Und dann war da der Flugblatt-Entwurf, den Christoph Probst auf seine Anregung hin geschrieben und ihm am 31. Januar gegeben hatte. Hans Scholl hatte den Freund nicht mehr darauf angesprochen. Minuten nach der Verhaftung, noch während er mit Sophie Scholl in der Universität auf die Gestapo wartete, entdeckte er diesen Entwurf in seiner Tasche. Er konnte ihn noch zerreißen. Aber als er die Schnipsel loswerden wollte, schlug der Hausschlosser, der immer noch dabei war, Alarm. Die Gestapo nahm das zerstückelte Blatt an sich und befragte Hans Scholl im Verhör, ohne nachzulassen, wer der Verfasser sei. Es habe anonym im Briefkasten gelegen, beharrte er.
    19. Februar, Freitag – Es war gegen vier Uhr am Morgen, als Hans Scholl beschließt, nicht weiter grundsätzlich zu leugnen. Aus dem Vernehmungs-Protokoll: »Nachdem nun mir die in meinem Schreibtisch vorgefundenen Briefe usw. vorgelegt wurden, unter denen sich ein Briefumschlag mit 140 8Pfg. Briefmarken befanden und ich wiederholt und eingehend zur Wahrheitsangabe ermahnt wurde, bin ich nun bereit, die volle Wahrheit zu sagen. Meine bisherigen Angaben stimmen nur teilweise und ich will nun eine zusammenhängende Darstellung meiner Tätigkeit geben. …« Zum einen gibt er an: »Der von mir heute morgen nach meiner Festnahme zerrissene Zettel stammt von Christof Probst.« Dann bekannte sich Hans Scholl zu zwei Flugblättern, dem im Januar und dem, das am Donnerstagvormittag durch den Lichthof der Universität flatterte. Er erklärte nachdrücklich, er sei der alleinige Urheber; niemand habe ihm bei deren Herstellung und Verbreitung geholfen.
    Seiner Schwester habe er erstmals das

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