Sophies Kurs
nicht zum Himmel, sondern starrte zu Boden in den Sand.
»Grâce à Dieu, mes soeurs.«
Mehr sagte ich nicht.
Danach wusch ich gehorsam Kleider, schrubbte Böden, schälte und säuberte faulig riechendes marsianisches Gemüse. Ich sagte Dank für unsere mageren Mahlzeiten und lernte genügend Latein, um Psalmen zu singen und meine größte Sünde einzugestehen, die da Hochmut und Stolz hieß. Ich sprach zu keinem, ehe ich nicht angesprochen wurde. Vier lange Monate sah ich niemanden außer meinen Schwestern in Gott, den verwundeten französischen Schürfern im Krankenhaus und den eingeborenen Mädchen, die zu uns kamen, um alles über Jesus und Maria zu erfahren. Draußen pflügte der Wind das Land um und scheuerte die Fensterrahmen mit Sand.
So näherte sich schließlich das Fest des hl. Sébastien. Für uns gab es natürlich kein Fest, aber Frère Lambert kam, und Le Père Matthieu, der Bischof mit seinen Vikaren und einer ganzen Schar Priester, die wir nie zuvor gesehen hatten - alle in herrliches Purpur und Gold gewandet. Sie speisten an einem Tisch, der über quoll von Köstlichkeiten.
Ich entschied, daß dies die größte und einflußreichste Zuhörerschaft sei, die ich je bekommen würde. Ich weiß nicht mehr, wie ich mir Zutritt zu den hohen Gästen verschaffte. Ich erinnere mich nur noch, daß ich vor dem Tisch stand, umringt von Mädchen mit bleichen Gesichtern und Linsensuppe in den Haaren, und schrie: »Laßt mich gehen!« Zu mehr kam ich nicht. »Laßt mich weg von diesem Ort!«
Schnatternd stürzten sich die Schwestern auf mich -wie Stare auf eine Brotrinde. Eilig schoben sie mich hinaus und sperrten mich ein. Wieder einmal überließ ich mich meinen Tagträumen, doch diesmal hatten meine Feinde genug und gaben auf. In diesem Sommer kam viel Volk nach S. Sébastien. Noch am selben Tag holte man mich heraus und gab mich in die Obhut einer Pilgergruppe, die mit dem Muli in die
Gaa Sheraa
hinausritt.
Ich war überglücklich, daß die Welt mich wiederhatte. Ich saß auf dem Muli, das man mir gegeben hatte, und schnitt dem Himmel Grimassen.
Mutter Lachrymata war sehr wütend, daß ich sie blamiert hatte. »Da du dich wie ein wildes Tier benimmst«, tobte sie, »sollst du auch leben wie ein solches.« Das waren ihre letzten Worte an mich. Der Bischof hatte mich zu einem Leben in der Wüste verbannt.
An diesem Abend sah ich zum ersten Mal Toussous, diese schäbige kleine Stadt am Ende der Welt. Wie Schiffswracks lehnten ihre windschiefen Häuser im endlosen Sand aneinander. Ich sah die Monde, die aufeinander zueilten. Über der Stadt kreiste ein einsamer Engel, ein pinkfarbener Fleck im schmutzigroten Himmel. Die kalte Luft roch nach Rost und Rauch und kratzte mir in der Kehle. Ich bemerkte, wie arm und gedrückt die Leute aussahen, als verstünden sie nicht, daß ihre Schürferei im Sand sie noch nicht reich gemacht hatte.
Die Pilger machten eine Rast, um ihre Wasserschläuche zu füllen und die Mulis zu tränken. Während seine Brüder sich an der Zisterne erfrischten, stand einer auf einer Kiste und predigte. Er predigte, daß sich ihm und seinen Begleitern im Traum die Wahrheit offenbart habe, daß Jesus Christus tatsächlich von den Toten auferstanden und aufgefahren sei – aber nicht in den Himmel, sondern zum Mars, um hier seine Mission fortzusetzen. Ich verstand nicht alles, was der Mann da erzählte, aber offenbar war ein Fußabdruck in einer Oase der Beweis für seine Worte. Wo war diese Oase? Sie wußten es nicht, denn ihre Vision hatte es ihnen nicht verraten. Sie würden aber die Ulsvar durchstreifen, bis sie sie gefunden hatten. Sie würden sie an einem Tabernakel aus Gold erkennen, den die Marsianer dort vor Jahrhunderten errichtet hatten.
»Les merveilles de Dieu!«
sagten die Pilger ständig lächelnd und bekreuzigten sich. Ihre Augen waren dabei wie große runde Laternen, die ihnen den Weg zum Paradies leuchteten. Ich wußte, sie waren total verrückt.
Gewißheit erlangte ich am nächsten Tag, als wir den Canyon de S. Charles erreichten und sie mir erklärten, ich solle in ihn hinuntersteigen. Lediglich zwei von ihnen eskortierten mich, einer vorweg, und einer hinter mir. Der bröcklige Pfad war steinig und mit Geröll übersät, so daß selbst die Mulis häufiger scheuten und bockten.
Überall schwebten Engel herum, schienen aber von uns keinerlei Notiz zu nehmen. Ich sah nach oben und beobachtete, wie sie kurvten und herunterschossen – und entdeckte eine niedrige Höhle
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