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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Haut wie Kerzenwachs, wie er da vor dem gelblichen Fels steht, der hinter ihm aufragt. Er hatte seine große blaue Strickmütze auf und trug einen alten chinesischen Kittel mit aufgedruckten Rundschwertern. Tornister und Staffelei hingen auf dem Rücken. Er sah aus wie die Figur aus einem Kartenspiel.
    Auch ich hatte mich dick vermummt und trug all die Kleider, die ich besaß, da ich annahm, daß man lange Zeit sehr still sitzen muß, wenn man sich malen läßt. Und auf dem Felsen gab es keinen Schutz. Also trug ich eine Hose unter der Kutte, darüber den Mantel, den sie mir in S. Sébastien gegeben hatten, eine Wollmütze und einen langen, schäbigen Schal von Elise, den sie Gott weiß wo ergattert hatte. Welch einen Anblick muß ich geboten haben!
    »Dann zeigen Sie es mir doch, Sir«, sagte ich. Er starrte auf die Felsen. »Es ist nicht hier.«
    Ich dachte, er spräche von einem Bild in seinem Gasthaus in Toussous. »Dann gehen wir doch hin und sehen es uns an«, schlug ich vor.
    »Ja«, sagte er sanft. »Ja, das werden wir. Der Himmel mag mir vergeben.«
    Der Wind trug Staub heran, den er zwischen den Felsen aufgewirbelt hatte.
    »Signor Pontorbo, wovon reden Sie denn?«
    Er zog die Mundwinkel nach unten und schüttelte den Kopf.
»Mi vogliate perdonare.
Ich kann es Ihnen nicht sagen,
signorina.
Verzeihen Sie mir.
Dunque ...
wenn ich etwas sage, bekommen Sie vielleicht einen falschen Eindruck.«
    Nun, das war nicht gerade eine klare Antwort.
    »Sie müssen es mit eigenen Augen sehen«, fuhr er rasch fort. »Das wird dann der eindeutige Beweis sein.«
    Ich spürte, daß ihm diese Worte schwerfielen. Meiner Meinung nach hätte er mich lieber in einen Sack gesteckt und davongetragen, aber er mühte sich redlich, sich wie ein Gentleman zu verhalten. Ich preßte die Lippen zusammen.
    Er mühte sich weiter. »Ich habe darüber nachgedacht, und das ist der beste Weg«, sagte er steif. »Meine eigenen Wünsche sind dabei – unwichtig.«
    Ich mußte lachen. »Ihre auch, Signor?«
    Ich wußte, ich war unhöflich, konnte aber nichts dagegen tun. Es geschah schon wieder. Jeder, den ich traf, hatte seine Pläne mit mir. Aus keinem wurde etwas, aber sie bewirkten immerhin, daß ich sofort wieder von dort aufbrach, wo ich mich gerade niedergelassen hatte. Ich war eine Feder im Wind.
    »Also schön«, sagte ich, breitete die Arme aus und machte vor meinem jüngsten Entführer einen kleinen Knicks. »Wohin geht es diesmal?«
    »Nach Io.«
    »Nach Io?« rief ich. Das war der bisher beste Scherz. Io war der Arsch des Nichts – nur ein gefrorener Fels – noch grimmiger sogar als Gah Sheraa. Ich konnte mich nicht mal erinnern, welche Welt er umkreiste. Und weil der Signor in so ernster und eindringlicher Pose vor mir stand, konnte ich nicht anders – ich lachte und lachte. Natürlich begann er zu protestieren und befahl mir, zu tun, was er sagte. Ich duckte mich an ihm vorbei und beschäftigte mich damit, Alexis zu beruhigen, die durch unseren Streit und mein Lachen nervös geworden war. Sie stieß mich mit ihrem fast kahlen Kopf an und zeigte mir so ihr Mißvergnügen. Ich trat an ihr vorbei und deutete den steilen Felsen hinauf. »Machen wir einen Wettlauf zur Spitze.«
    Es überraschte mich, wie schnell er darauf einging. Er schoß einen beinahe animalischen Blick auf mich ab, zog den Kopf ein und schloß halb die Augen; und dann hörte ich nur noch den weichen Aufprall seiner Staffelei und des Tornisters im Sand und seinen Atem hinter mir, hechelnd wie eine Ziege. Keuchend hastete ich den steilen Abhang empor –und erreichte den Gipfel gerade mal einen Augenblick früher als er.
    Schwer atmend stand ich oben auf dem Felsen, warf die Arme in die Luft und grinste Signor Pontorbo entgegen. »Hier sind wir, Signor. Nun, in welcher Pose möchten Sie mich malen? Lächelnd? Oder soll ich den Kopf senken und sagen, ich sei Ihnen sehr verbunden, Sir?«
    »Das sollten Sie vielleicht«, knurrte der Sizilianer verärgert und holte tief Luft. »Denn das dürfen Sie getrost sein.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und hob das Kinn. »Auf allen Welten sind Sie das Mädchen mit dem meisten Glück.«
    »Nun, tausend Dank, Sir«, antwortete ich keck. »Sicher finden Sie keine dankbarere Person als mich diesseits der Asteroidensee, das versichere ich Ihnen. Aber ich wünschte mir nichts sehnlicher, als daß mein Glück weniger hektisch wäre.« Ich setzte mich. »Und ich wünschte, Sie würden mich nicht auf diese Weise anstarren,

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