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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Gestein in allen Formen und Größen drifteten langsamer oder schneller vorüber, torkelten wie Federbälle oder hingen ruhig und lautlos in Schleiern aus Moos. Die Strömungen hier seien sehr trügerisch, erklärte mir Bruno. Sie könnten sich in Sekundenschnelle verändern und dem unglücklichen Fahrensmann ein rasches Ende bereiten.
    Ich wußte schon, daß Captain Andreas nur ungern den Kopfreif der Piloten benutzte, und er weigerte sich sogar jetzt, ihn aufzusetzen.
    Er übernahm das Ruder, übergab es den Caspars, übernahm und übergab es erneut, blieb aber dann mit den Händen in den Taschen daneben stehen. Dabei schnalzte und rollte er mit der Zunge, um mir dann mitzuteilen, was ich Bruno auf dem Deck signalisieren sollte.
    Ich fühlte, wie die
Giaconda
sich plötzlich aufbäumte und stark krängte. Sie begann zu stampfen und auf jeder Woge zu tanzen, die heranrollte. Captain Andreas stürzte hinaus und beugte sich mit dem
Rossington's
in der Hand über das Achterdeck. Ich könnte schwören, er zählte die Minuten und bemaß die Rotation der Sterne nach den üblichen Regeln. Wieder bäumte sich das Schiff heftig auf, und die kleinen Männchen kreischten laut, als das Ruder sie zur Seite zerrte.
    Bruno wies mich über Signale auf die bekannten Formationen hin. Da war der Carlsberg, der wie eine gigantische Pyramide aussieht, und Kwinana, eine Birne, aus der ein Stück ausgebissen worden ist, oder Wormwood, wohin die Sträflinge geschickt werden. Und dann tauchten die Fremont Cascades über uns auf, was bedeutete, daß die Marssegel eingeholt werden mußten.
    Bruno hing in den Wanten, und Captain Andreas half gerade Mrs. Caspar an der Winsch, als plötzlich ein Felsbrocken zwischen Besan- und Hauptmast auftauchte und lautlos ein Loch in das Hauptsegel schlug. Ich sah, wie das zerrissene Tuch nach oben schoß und eine Spiere herunterschlug. Die Stenge kam frei, wehte wie ein Ast in einem Sturm auf das Deck herunter und traf Captain Andreas genau im Rücken.
    Sie brachten ihn sofort unter Deck. Der Sichtschirm des Helms wies Risse auf, aber der Captain lebte. Bruno flößte ihm etwas Rum ein und tastete ihn mit geübten Fingern ab. Er fand eine gebrochene Schulter und richtete sie, so gut er konnte. Captain Andreas stöhnte und verkrampfte die Finger, winselte und jaulte vor Schmerz wie ein Hund. Zwei kleine Caspars zwitscherten und krähten aufgeregt, während sie mit der Bandage immer im Kreis herumhasteten, bis der Verband fest genug saß.
    In diesem kritischen Zustand blieb uns nichts anderes übrig, als nach einem Platz zu suchen, wo wir einen Aufenthalt einlegen konnten. Ohne erfahrene Schiffbauer würden die Reparaturen sehr schwierig. Brunos Caeruleaner waren zwar sehr geschickt, aber es erwies sich jetzt als nicht gerade klug von ihm, mit einer Mannschaft in den Raum zu segeln, die so klein von Wuchs war. Wenigstens war ausreichend Material vorhanden. So spärlich ausgestattet das Schiff auch im Vergleich mit den anderen war, die ich kennengelernt hatte, so verfügte es doch über einen kompletten Reservesatz Segel und über jede Menge Holz.
    »Werden wir es schaffen?« fragte ich Bruno und betrachtete zweifelnd den Captain.
    Bruno war zutiefst bedrückt und antwortete nicht.
    Wir ließen uns aus der Hauptströmung gleiten und trieben mit der Tide weiter in der Hoffnung, einen Hafen zu sichten. Captain Andreas murmelte finster etwas über Wormwood und seinen Arm, bis Bruno eine Flasche öffnete und sie ihm mit einem groben Fluch in die Hand drückte.
    Während wir träge neben dem Treibgut des Raums dahindümpelten, starrte ich in die unergründlichen Tiefen und dachte über Io nach. Ich stellte mir vor, daß in irgendeiner Ecke auf dem Mond, weit entfernt von den Vulkanen am Ende einer langen Straße eine Burg stand, deren Zugbrücke vor unseren Augen heruntersank. Durch die weit geöffneten Pforten blickten wir ins Innere eines Rittersaals, in dem ein großes Feuer brannte. Die Tafel bog sich unter der Last der Speisen und Getränke. Die untersetzte Gestalt unseres Gastgebers zeichnete sich als Silhouette vor dem Feuer ab. Er trug seine Purpurrobe, hatte lustige rote Wangen und einen langen weißen Bart. Mit ausgestreckten Armen hieß er uns willkommen: der Weihnachtsmann, der Herzog von Cockayne. Wie würde er sich über unsere Ankunft freuen und mich und Bruno an seine Brust drücken!
    Wir hakten uns an dem ersten Felsen von ausreichender Größe fest, den wir erreichen konnten, und setzten einen

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